28.10. - 28.11.2004
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Die Île Boddam liegt keine fünfzig
Meter von unserem Bug entfernt. Eine dichte, grüne Wand versperrt
die Sicht ins Inselinnere. Ein schmaler Sandstrand schmiegt sich unter
die Palmen. Wie wär's mit einem Landgang? Dieses Eiland ist,
wie alle anderen Inseln des Salomon Atoll, unbewohnt. Einklarieren
müssen wir nicht und wir könnten sofort an Land. Doch irgendwie
brauchen wir nach 17 Tagen auf See etwas Zeit, um uns mit der Idee
einer Wanderung anzufreunden. Dazu kommt, dass unser Anker irgendwo
auf Korallen liegt und bei starkem Wind nie halten würde. Fazit:
Wir ruhen uns an Bord aus und geniessen die Stille, die auf der PANGAEA
herrscht. |
Die unendliche Brandung des Ozeans bricht sich
am Aussenriff und bildet eine weiss schimmernde Grenze zwischen türkisfarbener
Lagune und dunkelblauem Tiefwasser. Es ist ein Traum! Das dumpfe,
endlose Grollen der Wellen ist bis zu uns zu hören. |
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Die Neugier und das Verlangen nach festem Boden
unter den Füssen ist über Nacht bei allen gestiegen. Es
ist Zeit für den ersten Landgang. Langsam gleiten wir mit dem
Dingi über diverse Korallenstöcke dem Ufer entgegen. Bunte
Fische huschen geschwind in ihre dunklen Verstecke. Im seichten Wasser
beim Strand schiesst ein Schatten davon. Ein kleiner Rochen. |
Im dichten Grün klafft eine Öffnung
und ein sauber aufgeräumter Platz bildet die Fortsetzung des
kleinen Sandstrandes. Palmen und Büsche bilden ein natürliches
Schattendach. Ein paar Gartenstühle und ein niedriger Holztisch
laden zum Verweilen ein. In zwei Richtungen führt ein Pfad ins
Dickicht hinein. Wir folgen dem einen Weg und schon bald befinden
wir uns mitten im Kokospalmenwald. Der Treck muss erst kürzlich
vom wuchernden Grünzeug gereinigt worden sein. Kein einziger
Ast versperrt uns den Weg und kein Palmwedel liegt auf dem Pfad. Die
Vegetation ändert sich immer wieder, doch die Kokospalmen dominieren. |
Plötzlich stehen wir vor einer niedrigen,
verwitterten und mit Moos überwachsenen Mauer. Wir steigen über
die Steinbrocken und stehen auf einem Friedhof. Die Natur hat sich
den Platz zurück erobert. Grosse, kräftige Bäume wachsen
zwischen den Gräbern. Ihre Wurzeln haben sich überall einen
Weg gebahnt. Die Inschriften der Grabsteine sind nicht mehr entzifferbar,
zu stark sind sie verwittert. Die Geräusche der Natur scheinen
zu verstummen. Wie von einem Tuch bedeckt, liegt eine wohltuende Stille
über der Ruhestätte. |
Der Pfad führt entlang der Friedhofsmauer
und dringt auf der gegenüberliegenden Seite wieder ins Unterholz
ein. Ein dichtes Ast- und Blätterdach schirmt uns von der brennenden
Sonne ab. Kein Windhauch bewegt die Luft. Dutzende von Mücken
stürzen sich auf unsere Schweiss nasse Haut. Sie freuen sich
ab unserem leckeren Blutcocktail
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Unvermittelt tauchen vor uns die Umrisse von hohen
Steinmauern auf. Schon bald erkennen wir die Überresten von Gebäuden.
Wir befinden uns in einem Dorf. Die Mauern einer kleinen Kapelle ragen
hoch in den Himmel. Die Fensteröffnungen sind leer und auf den
Mauern ruht kein Dach mehr. Vor langer Zeit muss dieses Gotteshaus
schmuck und vornehm ausgesehen haben. Auch hier in dieser Siedlung
führt die Natur ihr Werk ungehindert fort. Wurzeln sprengen die
Steinmauern und aus jeder Spalte spriesst Grünzeug. Was sind
das für Überresten von Zivilisation? Wann und warum haben
die Menschen diese Inseln verlassen?. |
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Das Chagos-Archipel liegt südlich der Malediven
mitten im Indischen Ozean. Das Archipel besteht aus fünf grösseren
Koralleninseln und mehreren kleineren Atollen. Die Inseln wurden in
der Vergangenheit auch Ölinseln genannt und umfassen eine Landmasse
von 60 km². |
Arabische und malaiische Seefahrer kannten die
Inseln des Chagos-Archipels wahrscheinlich schon lange, bevor die
Portugiesen sie im Jahr 1743 entdeckten. Später im 18. Jahrhundert
errichteten die Franzosen hier eine Kolonie und bauten mit Sklaven
aus Afrika und Madagaskar eine Kopraverarbeitung auf. Mauritius verwaltete
das Archipel und richtete eine Leprasiedlung ein. Die Ilois, eine
Mischung aus Afrikanern und Tamilen, arbeiteten auf den Plantagen
und bauten nebenher für sich selber Gemüse an. |
Auf der Haupinsel Diego Garcia sowie auf Peros
Banhos und Salomon Islands des Chagos-Archipels lebten etwa 1000 Einwohner.
Die reichen Kokospalmbestände lieferten Kokos- und Palmöl
(deswegen Ölinseln) sowie Kopra für den Export. Weitere
Produkte waren Fische, Nüsse und Guanodünger. |
Das Chagos-Archipel wurde 1810 britisch und 1965
wurden das Aldabra-Atoll, die Des-Roches-Inseln, das Fraquhar-Atoll
und das Chagos-Archipel zum British Indian Ocean Territory (BIOT)
vereinigt. Die Briten siedelten bei der Bildung des BIOT die gesamte
Bevölkerung des Chagos-Archipels nach Mauritius um, weil die
USA nach einer unbewohnten Inselgruppe suchten, die sie pachten konnten.
Die Ilois erhielten unter der Bedingung, dass sie ihre Rechte an den
Inseln abtraten, eine kleine Entschädigung. |
Seit 1976 besteht das BIOT nur mehr aus dem Chagos-Archipel.
Die drei anderen Inselgruppen wurden dem neu gebildeten unabhängigen
Staat der Seychellen eingegliedert. |
Heute ist Diego Garcia, die grösste Insel
des Archipels, als einzige Insel bewohnt. Die USA haben Diego Garcia
von den Briten gepachtet und betreiben dort den wohl grössten
Marinestützpunkt der Welt. Das ganze Archipel wird von der Britischen
Marine kontrolliert und überwacht, welche ebenfalls auf Diego
Garcia stationiert sind. |
Yachten dürfen die unbewohnten Atolle besuchen,
werden aber von der Britischen Marine periodisch kontrolliert und
müssen eine Gebühr von zur Zeit US$95 für einen Aufenthalt
von drei Monaten bezahlen. Strikte Regeln müssen eingehalten
werden. Diego Garcia ist für Yachten gesperrt und darf nur in
einem ernsthaften Notfall angelaufen werden. |
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Wir streifen durch die Überresten der Siedlung
und erkunden die diversen Ruinen. Ein grosser Wassertank, rostig und
voller Löcher, wird von Wurzeln umarmt. Ein Gebäude mit
schmalen, langen Räumen und vergitterten Fenstern erinnert an
ein Gefängnis. Das grüne Dickicht zwischen den Ruinen ist
oft so dicht, dass es kein Durchkommen gibt. |
Ein Stück Eternit-Wellblech liegt auf einer
zementierten Fläche. Was ist darunter verborgen? Unsere Neugier
ist geweckt. Vorsichtig heben wir die Abdeckung hoch und blicken in
ein tiefes Loch. Am Grund schimmert klares Wasser. Ein Grundwasser-Brunnen
liegt vor uns, der vor fast 40 Jahren zum letzten Mal von Einheimischen
benutzt wurde. Zwischen den Ruinen entdecken wir immer wieder einen
der Brunnen. Ob das Wasser trinkbar ist? |
Diverse Pfade führen durch das verlassene
Dorf. Wir folgen dem Weg in Richtung Lagune. Direkt am Strand öffnet
sich ein kleiner Platz. Hier haben die besuchenden Yachties einen
kleinen Unterstand errichtet in dem alle möglichen und unmöglichen
Gegenstände zu finden sind. Ein altes, riesiges Schwungrad einer
Dampfmaschine steht vor dem Unterstand und bildet einen Tisch. In
diesem Camp treffen wir auf die Besatzungen der anderen Yachten. In
einer ersten Beschnupperrunde lernen wir die anderen Segler kennen. |
Eine österreichische Familie mit einem 11
jährigen Jungen ist seit mehr als 20 Jahren auf den Weltmeeren
unterwegs und zum dritten Mal in Chagos, dieses Mal seit über
acht Monaten. Ein kanadisches Ehepaar segelt alle paar Jahre hierher,
um einige Monate in dieser Abgeschiedenheit zu verbringen. Das zweite
Ehepaar ist ebenfalls aus Österreich und wie wir zum ersten Mal
im Chagos-Archipel. Doch auch sie sind bereits über einen Monat
im Salomon Atoll. Die Besatzung des letzten Schiffes ist nicht an
Land. Wir erfahren, dass der Mann des Paares vor vier Tagen hier im
Salomon Atoll verstorben ist und seine Frau sich nun in Diego Garcia
aufhält. Eine Tatsache, die uns zu denken gibt. |
Mit fünf Yachten sind zur Zeit wenig Schiffe
im Atoll. In der Hauptsaison kann es vorkommen, dass über 30
Schiffe in der Lagune vor Anker liegen. Entsprechend viele Leute tummeln
sich dann auf den Inseln. Abgeschiedenheit, Stille und Unbewohnt sind
in diesem Moment Fremdworte. Unterhaltung ist angesagt. Wie wäre
es mit einer Party oder einem Volleyballturnier? |
Vom Main Camp" führt der Weg der
Lagune entlang weiter. Kokospalmen wachsen auf den Ruinen einer Pier.
Ein grosses Steinkreuz überblickt das Atoll. Wir kommen zu einem
grossen, halb verfallenen Gebäude. Es diente in der Vergangenheit
der Aufbewahrung der zur Verschiffung in Säcke abgefüllten
Kopra. Auf einem kleinen Platz vor dem Gebäude stehen auf Holzrosten
diverse Plastikbehälter. Sie sind mit Wasser gefüllt und
schmutzige Wäsche ist darin eingeweicht. In der Mitte des Platzes
findet sich ein weiterer Grundwasser-Brunnen. Unter den rostigen Wellblechen
der Kopralagerhalle hängt saubere Wäsche. Das Wellblechdach
der Lagerhalle dient dem Auffangen von Regenwasser. Es wird in alte,
von einer dicken Rostschicht überzogenen Auffangbehälter
geleitet. For drinking only" ist mit weisser Farbe auf
die Tanks gemalt. Der Eisengehalt ist sicher über der Norm
In einem solchen Moment bin ich froh, einen Wassermacher an Bord zu
haben oder dass ich selber das Regenwasser sammeln kann. Trotzdem,
wir sind beeindruckt, was die Besucher der Insel alles aufgebaut haben. |
Unser Pfad führt durch ein weiteres Stück
Kokospalmwald. Es raschelt überall zwischen den auf dem Boden
liegenden Palmwedeln. Krebse in allen Grössen und mit den unterschiedlichsten
Muschelhäuschen krabbeln umher. Ratten verstecken sich zwischen
herumliegenden Kokosnüssen. Eine letzte Wegbiegung, ein letztes
Dickicht und wir stehen wieder am Strand, wo unser Dingi auf dem Sand
liegt. |
PANGAEA hängt immer noch an ihrem eigenen
Anker. Hamphrey und Claire von der BRUMBY empfehlen uns, unser Schiff
an einem Korallenstock zu befestigen. Der Wind könne extrem schnell
drehen und da der Grund mehrheitlich aus Korallen bestehe, halte jeder
Anker schlecht. Sie helfen uns, einen Stock zu finden, der bereits
von einem armdicken Tau umschlungen ist. Schon bald schaukelt PANGAEA
an ihrem neuen Ort, noch einmal ein gutes Stück näher am
Land. |
Als zusätzliche Sicherheit legen wir unsere
eigene Ankerkette ebenfalls um den Korallenstock. Jetzt können
wir beruhigt am Abend in die Kojen schlüpfen und den Windböen
im Rigg lauschen. Um diesen Korallenstock abzubrechen braucht es Wind
in Hurrikanstärke. |
Schon einmal im Wasser und mit Taucherbrille ausgerüstet,
untersuche ich den Kiel. Nach unserer Grundberührung in der Lagune
bin ich auf das Schlimmste gefasst. Doch der Schaden hält sich
in Grenzen. Lediglich ein Stück Farbe an der Unterseite des Kiels
ist abgeschlagen. |
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Seit wir Tauranga in New Zealand verlassen haben,
hat uns PANGAEA durch mehr als 7600 Seemeilen Wasser getragen. Es
ist sehr anstrengend, in 5½ Monaten eine solche Strecke unter
Segeln zurück zu legen. Es wird Zeit eine längere Pause
einzulegen. Hier im Chagos-Archipel wollen wir mehrere Wochen verbringen.
Ein ausgedehnter Aufenthalt hat aber nicht nur mit uns selber zu tun,
sondern auch mit dem Wetter. |
Im Nord Indischen Ozean wechselt der Monsun Ende
November bis Mitte Dezember von Südwest auf Nordost. Diesen Windwechsel
wollen wir abwarten, bevor wir in den Norden und damit ins Rote Meer
aufbrechen. Die Übergangszeit der Monsune ist mit wechselhaften
Winden, heftigen Gewittern und starken Böen verbunden. Dazu kommt,
dass Oktober und November als die Monate mit den meisten Hurrikans
im Süd und Nord Indischen Ozean gelten. Mit unserer Position
von 05° 21' Süd sind wir zwar nahe genug am Äquator,
um einen Hurrikan nicht voll zu erwischen, doch Windgeschwindigkeiten
von 60 bis 70 Knoten wären durchaus möglich. Aus diesem
Grund verfolgen wir das Wettergeschehen um uns herum täglich
und es brodelt. Innerhalb von einer Woche bilden sich in unserer unmittelbaren
Nähe zwei Hurrikans. |
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SOUTH INDIAN OCEAN AREA (135E9 WEST TO COAST
OF AFRICA):
TROPICAL CYCLONE SUMMARY:
(1) AT 231800Z4, TROPICAL CYCLONE (TC) 04S (BENTO) WAS LOCATED NEAR
8.4S2 74.7E8, APPROXIMATELY 145 NM EAST-SOUTHEAST OF DIEGO GARCIA,
AND HAD TRACKED WESTWARD AT 05 KNOTS OVER THE LAST 6 HOURS. MAXIMUM
SUSTAINED WINDS WERE ESTIMATED AT 140 KNOTS GUSTING TO 170 KNOTS.
SEE REF B (WTXS31 PGTW 232100) FOR FURTHER DETAILS.
(2) NO OTHER TROPICAL CYCLONES. |
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Es ist erstaunlich, wie ein Hurrikan seine Kraft
und Energie auf einen kleinen Punkt konzentriert. Der fürchterliche
Sturm BENTO ist nur gerade 250 Seemeilen südlich von uns. Starken
Wind bekommen wir keinen zu spüren, dafür sehr viel Regen.
All unsere Behälter sind innert Minuten randvoll gefüllt.
Im Normalfall zieht ein Wirbelsturm immer vom Äquator weg. Für
uns sollte also keine Gefahr mehr bestehen. |
Jeder Sturm ist ein lebendiges Wesen und bekommt
daher einen Namen. Die Namengebung beginnt jedes Jahr mit dem ersten
Buchstaben des Alphabetes. AROLA war der erste Hurrikan. Darauf folgte
BENTO. Wann und wo dürfen wir C
erwarten? |
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