31.08. - 10.09.2004
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Ich ging den Flur entlang und öffnete
die Tür zu meinem Arbeitszimmer. Wie angewurzelt blieb ich stehen.
Oberst Brotherow lag in einer völlig unnatürlichen Stellung
ausgestreckt über meinem Schreibtisch. Neben seinem Kopf befand
sich eine Lache mit einer dunklen Flüssigkeit die langsam auf
den Boden tropfte..." |
Gebannt lausche ich dem Hörspiel aus dem
Walkman. Es ist ein Genuss, im Cockpit zu sitzen und den Geschichten
auf Band zu folgen. Die Zeit vergeht auf diese Weise wie im Flug.
in diesem Augenblick gab es eine Unterbrechung. Die Tür
ging auf und Miss Marple betrat das Zimmer. Ihre Wangen waren gerötet
und sie wirkte nervös." |
Eine ganze Box ist gefüllt mit Kassetten.
Wir haben sie von unseren Nachbarn aus Degersheim nach Darwin geschickt
bekommen. Marianne verkürzen die Hörspiele die Bügelarbeit.
Susan und mir werden sie so manche Nachtwachen verkürzen. |
Die Segel sind geborgen. PANGAEA schaukelt ruhig
und gemächlich auf der Spiegel glatten See. Kein Windhauch kräuselt
die Wasseroberfläche. Der Motor ruht und das Schiff treibt. Tausende
von Sternen funkeln am Himmel. Blutrot steigt der Mond aus dem Meer
und zieht langsam seine Bahn über den Himmel. |
Wir haben alle Zeit der Welt. Bei der Abfahrt
in Darwin haben wir uns vorgenommen den Motor nur zur Stromerzeugung
und zum Laden der Batterien zu gebrauchen. Das nächste Festland
werden wir erst wieder in Oman betreten und bis dorthin sind es mehr
als 5000 Seemeilen. Wir wissen nicht, wann und zu welchem Preis wir
wieder Diesel tanken können. Aus diesem Grund nehmen wir den
Wind wie er gerade kommt. Und wir wissen, dass er in der Umgebung
von Darwin nur sehr spärlich weht. Lediglich die Tagesthermik
mit Land- und Seebrise bringt etwas Wind. Dieser Windhauch reicht
aus, um uns immer weiter von Darwin zu entfernen und uns dem Einfluss
der Gezeitenströmung des Beagle Gulf zu entziehen. |
Sobald die Wäsche an der Leine zu flattern
beginnt, heisst es Segel setzen. Ich eile zum Bug und löse das
bereits am Segel befestigte Fall vom Bugbeschlag. Jetzt treten unsere
Kinder in Aktion. Anina zieht mit Leibeskräften am Fall, Noemi
bedient die Klampe und Sina gibt lautstark ihren Senf dazu. Ich helfe
den Mädels, indem ich beim Masten ebenfalls am Fall ziehe. Mit
vereinten Kräften steht das Segel nach kurzer Zeit. |
Die ersten Male ist ein beherztes, freudiges Mithelfen
der Kindern spürbar. Doch nachdem sich der Spass in stündliche
Arbeit wandelt, wird Opposition laut. Papi, ich han jetzt grad
kei Zyt. Ich bin grad am zeichne!" Also gut, wenn eine Brise
an Deck zu spüren ist, warten wir eine halbe Stunde und schauen,
ob der Wind auch wirklich bleibt. |
Leider können wir nicht immer den direkten
Kurs anliegen, damit die Segel vom wenigen Wind auch wirklich gefüllt
werden und nicht schlagen. Dadurch vergrössert sich natürlich
die Distanz, dafür läuft das Schiff ruhiger und das Segel
wird geschont. Die zusätzlichen 100 Seemeilen bescheren uns eine
weitere Nachtwache in welcher auch der letzte Hörspiel-Mörder
dingfest gemacht wird. |
Die Sonne brennt unerträglich vom Himmel
und PANGAEA gondelt einmal mehr langsam vor sich hin. Das Meer lockt.
Doch was ist mit den unangenehmen Meeresbewohnern wie Quallen, Haifische,
Schlagen und Riesenkraken? Krokodile sollte es hier keine mehr geben.
Ich wage es. Ein langes Tau hängt von der Badeplattform ins Wasser
und ich binde mir eine Schlaufe ums Handgelenk. Ein Sprung und schon
zieht es mich hinter dem Schiff her. Ein unheimliches Gefühl,
so im dunkelblauen Wasser hinter dem Schiff hergezogen zu werden.
Ich fühle mich wie der Köder an der Angelleine. Die Abkühlung
tut gut. |
Noch eine Nacht, dann sollten wir unser nächstes
Ziel, das Ashmore Reef erreichen. PANGAEA schleicht mit ein bis zwei
Knoten durchs Wasser. Zu Fuss wären wir um einiges schneller,
hätten aber sicher Mühe, die 13 Tonnen Schiff hinter uns
herzuziehen. Also bleiben wir lieber an Bord und geniessen die langsame
Fortbewegungsart. 30 Seemeilen fehlen noch. Bei einer Geschwindigkeit
von zwei Knoten macht das 15 Stunden. Genau richtig, um im Morgengrauen
vor dem Pass zu stehen. |
Die Sonne versinkt mit einem grünen Blitz
im Wasser. Der Wind frischt auf. Sofort zieht PANGAEA los und rauscht
mühelos mit fünf bis sechs Knoten durchs Wasser. Viel zu
schnell! Wir bergen die Genua und setzen die kleine Fock. Wir sind
immer noch zu schnell und binden zwei Reffs ins Gross. Jetzt stimmt
die Geschwindigkeit. Unglaublich, jetzt haben wir eine Woche lang
jeden Windhauch ausgenutzt und kurz vor dem Ziel müssen wir die
Segelfläche verringern, damit wir nicht mitten in der Nacht ankommen.
Wir könnten natürlich das Ashmore Reef links liegen lassen
und einfach nach Christmas Island weiter segeln
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Das Reduzieren der Segelfläche hat geholfen
und unsere Zeitrechnung geht auf. Die Sonne steigt soeben hinter dem
Horizont hoch, als wir uns vor dem Pass zur West Island Lagoon befinden. |
Das Ashmore Reef gehört zu Australien, obwohl
es von Indonesien lediglich 80 Seemeilen entfernt liegt. Bis zum Australischen
Festland sind es 200 Seemeilen. Das Riff ist traditioneller Fischgrund
für die Einwohner Indonesiens und dieser Umstand führt immer
wieder zu politischem Kopfzerbrechen. Eine Antwort darauf ist sicher
die ständige Präsenz des Australischen Zolls. Schon von
weitem sehen wir das schneitige Schiff. Wir haben gehört, dass
einem die Beamten sogar durch den Pass in die Lagune geleiten. |
Die Annäherung an das Riff ist einfach und
die Seekarte sehr detailliert. Die Segel sind geborgen und wir fahren
unter Maschine in den über eine halbe Seemeile breiten Pass ein.
Vom Zollschiff rauscht uns ein grosses, stark motorisiertes Schlauchboot
entgegen. Die zwei Beamten geleiten uns tatsächlich durch den
Pass und bringen uns bis zu einem kleinen Bojenfeld. Hier picken sie
für uns die Mooringleine auf und überreichen sie Susan,
die am Bug mit dem Bootshaken wartet. |
Eine Stunde später sitzen die zwei Beamten
in unserem Cockpit. Sie haben einige Formulare auszufüllen und
entsprechend viele Fragen an uns zu stellen. Sie erklären uns,
wo wir im Riff hin dürfen und was erlaubt oder besser gesagt
verboten ist. Das Ashmore Reef gilt als Kinderstube fast sämtlicher
Fische, die an der Westküste von Australien zu finden sind. Entsprechend
ist nur ein kleines Gebiet des Riffs für die Öffentlichkeit
zugänglich. Der Rest steht unter striktem Naturschutz und darf
unter keinen Umständen betreten werden. |
Die Frage und Plauderstunde ist beendet. Wir werfen
die Mooringleine los und fahren durch einen gut markierten Kanal in
die Innenlagune, direkt vor der West Island. Es ist Mittagszeit und
die Sonne steht fast senkrecht über unseren Köpfen. Die
Korallenstöcke sind gut sichtbar und schimmern in den schönsten
Farben. Unmittelbar vor der Insel breitet sich ein türkisfarbenes
Band aus das sich hell gegen die umliegenden, tiefen Stellen der Lagune
abzeichnet. Auch in der Innenlagune sind Bojen zu finden. Wir steuern
gerade eine an, als das Schlauchboot des Zolls an uns vorbei rast,
die Mooringleine aufpickt und Susan überreicht. |
Zwei Schiffslängen neben und vor uns leuchten
die Korallenstöcke durch das Wasser. Es hält uns nichts
mehr. Badehose an und ein Sprung ins 26° warme Nass. Wir können
bis auf den Boden der Lagune sehen, obwohl der Grund 15 Meter unter
unserem Schiff liegt. Es ist herrlich, wieder ohne Gefahr ins Meer
springen zu können. |
Der blendend weisse Strand lockt. Die Distanz
ist für unser Beiboot bei den herrschenden leichten Winden aber
zu gross. Der Zoll hat uns am Morgen angeboten, uns am Nachmittag
an Land zu bringen und uns den öffentlichen Bereich der Insel
zu zeigen. Doch die Besatzung des Zollschiffes scheint mit einem Fischerboot
beschäftigt zu sein, welches beim Manövrieren in der Lagune
seinen Propeller verloren hat. Wir warten umsonst auf das Ausflugsschiff
und ruhen uns an Bord aus. |
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Wir sind nicht die einzigen Schiffe in der Innenlagune.
Drei weitere Segelschiffe schaukeln friedlich an ihrer Boje. Wir schliessen
uns mit der Finnischen Crew von ALIISA zusammen und besuchen die Insel.
Die Wellen in der Lagune sind nur ganz niedrig und trotzdem spritzt
es kräftig am Bug des Schlauchbootes. Die Wasserfarbe wechselt
vom tiefen blau über türkis bis zum hellen weiss, als das
Wasser nur noch knietief ist. Wir waten durch das klare Wasser und
bestaunen die faszinierenden Strukturen welche Sand, Wellen und Wind
geformt haben. Keine Menschenhand wäre imstande, ein solches
Spiel von Linien, Formen und Farben zu schaffen. Die Natur ist und
bleibt eine geniale Künstlerin. |
Sand und Muscheln, für unsere Kinder bedeutet
das Sandkasten und Spiel pur. Sie verschwinden im Schatten eines Indonesischen
Fischerbootwracks, welches hoch auf dem Strand vor sich hin modert.
Sie haben keine Zeit mehr für einen Spaziergang am Strand. |
Der Sand leuchtet wie Schnee. In der Ferne ist
die Brandung am Riff zu erkennen. Zu hören ist nichts, denn das
Ashmore Reef ist riesig. Es ist über 20 Kilometer lang und 10
Kilometer breit. Einige kleine Inseln sind zu finden, die aber ganz
im Besitz von Seevögeln sind und von uns nicht besucht werden
dürfen. Auch auf West Island steht uns nur dieser Strandabschnitt
und ein schmaler Korridor ins Innere offen. |
Die Vegetation der Insel unterscheidet sich gewaltig
von den Koralleninseln im Barrier Reef. Kein undurchdringbares Dickicht
von stachligen Sträuchern ist zu finden, sondern eine weite Grasebene.
Wir wähnen uns in einer Savanne und erwarten jeden Moment eine
Herde Zebras, ein Rudel Löwen oder ein Gruppe Elefanten vorbeiziehen
zu sehn. |
Viel Schatten ist leider nicht zu finden und je
höher die Sonne steigt, desto unerträglicher werden ihre
stechenden Strahlen. Es ist Zeit unseren Ausflug zu beenden und den
kühlen Schatten auf dem Schiff aufzusuchen. Langsam gleitet das
Schlauchboot über das seichte Wasser. Immer wieder huscht der
Schatten einer Schildkröte davon. In der Ferne erkennen wir das
Zollschlauchboot, welches auf uns zu rast. Es stoppt zuerst bei der
ALIISA und dann bei der PANGAEA. Jetzt erkennen sie uns und ändern
ihren Kurs. Haben wir etwas Verbotenes gemacht, als wir ohne den Zoll
an Land gingen? Das grosse Schlauchboot kommt längsseits und
die zwei Beamten bieten uns an, einen Teil von uns zum Schiff zurück
zu bringen, es sei doch viel zu eng in dem kleinen Boot für uns
Was für eine Hilfsbereitschaft. Oder müssen wir die unendliche
Aufmerksamkeit schon bald als Babysitter für Yachtis"
bezeichnen? |
Die ALIISA Crew ist am Nachmittag bei uns zu Gast.
Die Kinder und auch wir geniessen es, nach langer Zeit wieder einmal
Gäste an Bord zu haben. Wir plaudern über erlebtes und geplantes.
Im Laufe des Gesprächs wollen sie wissen, ob wir die neusten
Wettervorhersagen hätten. Sie haben an Bord keine Möglichkeiten,
Wetterfaxe oder Wetterberichte über Kurzwelle zu empfangen. Für
uns sind gerade diese Quellen enorm wichtig, um einen Überblick
über das Wetter zu bekommen. Wir wollen wissen, ob wir in den
nächsten 24 Stunden einen Frontendurchgang zu erwarten haben.
Die neusten Wetterdaten versprechen leider nicht viel Wind um das
Ashmore Reef herum. Erst weiter im Westen setzt der Monsun mit konstantem
Wind aus gleichbleibender Richtung ein. |
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Während der Nacht heult einige Male der Windgenerator
auf. Es hat Wind! Sollen wir bei Tagesanbruch in See stechen? Der
Morgen zeigt sich von der windstillsten Seite und die Entscheidung
fällt leicht, noch einen Tag an der Boje zu verweilen. ALIISA
wagt den Versuch und sticht in See. |
Die Korallenstöcke sind so nahe bei unserem
Schiff, dass wir sie mühelos schwimmend erreichen können.
Ob Anina mich auf einem Schnorchelausflug begleiten möchte? Ich
mache ihr den Vorschlag und sie ist sofort Feuer und Flamme. Schnell
hat sie ihren Tauchanzug und die Schwimmweste an. Endlich kann sie
ihre neue Taucherbrille einweihen. Nach langem Suchen haben wir eine
Brille gefunden, die auf ihr schmales Gesicht passt. |
Wir springen ins Wasser und gleiten Minuten später
über die ersten Korallen. Anina schaut fasziniert in die Tiefe
und atmet regelmässig durch den Schnorchel ein und aus. Immer
wieder stupst sie mich und zeigt mit der Hand auf einen farbigen Fisch.
Plötzlich schwebt eine grosse Schildkröte unter uns durch.
Wir folgen ihr eine Weile, doch sie entschwindet bald unseren Blicken.
Über eine Stunde schnorcheln wir durch den Korallengarten und
entdecken laufend Neues. |
Zurück auf dem Schiff stürzt Anina in
den Salon und sucht im Fischbuch nach all den Fischen, die sie auf
ihrer ersten Schnorcheltour entdeckt hat. Sie ist mächtig stolz
und muss natürlich all das Gesehene ihrer Schwester und der Mama
erzählen. |
Wir wechseln von der Innenlagune zurück in
die Aussenlagune. Von hier könnten wir früh am Morgen in
See stechen, sollten wir uns entscheiden aufzubrechen. Am Abend rufen
wir ALIISA per UKW-Funk auf. Sie meldet sich tatsächlich. Weit
sind sie demnach nicht gekommen, denn die Reichweite beträgt
maximal 20 Seemeilen. Wir sind froh, haben wir uns entschieden zu
warten. |
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Ein leichter Windhauch bläst über die
Lagune. Gerade stark genug, um die Bänder am Sonnenverdeck zu
bewegen. Dieser Wind sollte reichen, um PANGAEA, wenn auch langsam,
durchs Wasser zu ziehen. Wir brechen auf. Die Mooringleine ist los
und über Funk bedanke ich mich bei der Zollcrew für ihre
Hilfe und wünsche ihnen einen schöne Dienstzeit auf diesem
Aussenposten. |
Wir passieren das Zollschiff in unmittelbarer
Nähe. Plötzlich ertönt eine Sirene an Deck. Unsere
Kinder stürzen ins Cockpit um zu sehen was los ist. Der diensthabende
Beamte winkt uns von der Brücke zum Abschied zu. Ganz langsam
verschwinden die Palmwipfel der West Island hinter dem Horizont. 1000
Seemeilen liegen vor uns bis nach Christmas Island. Wie lange werden
wir für diese Strecke wohl benötigen? |
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