23.-29.11.2003
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Langsam schwebe ich durch das klare Wasser. Der
Tauchanzug schützt mich vor dem 23°C kalten Wasser. Meine
vier Frauen sind im Beiboot und paddeln vor mir her. Die Digitalkamera
ist im Unterwassergehäuse eingepackt und ich bin damit beschäftigt,
noch ein paar Einstellungen an der Kamera vorzunehmen. Langsam schwimme
ich weiter und konzentriere mich auf den Bildschirm. |
Als ich das nächste Mal aufschaue, sehe ich
drei über zwei Meter lange Haie um das Beiboot patrouillieren!
Was soll ich machen? Gehören diese Haie zu den zwölf gefährlichen
Arten? Wenn nicht, wissen dann die Haie auch, dass sie ungefährlich
sein sollten? Plötzlich kommen die Tiere auf mich zu. Nur ruhig
bleiben... Eines der Tiere kommt immer näher und schwimmt keine
drei Meter an mir vorbei. Durchdringend fixiert es mich mit seinen
starren Augen und verschwindet im nächsten Moment hinter mir.
Die zwei anderen Haie verlieren sich im dunklen Teil der Lagune. Wo
ist das dritte Tier geblieben, das hinter meinem Rücken verschwunden
ist? Ich schaue mich suchend um, kann es aber nicht mehr entdecken.
Wo werden diese Geschöpfe als nächstes auftauchen? Immer
wieder werfe ich einen Blick über die Schultern zurück. |
Es ist ein unheimliches Gefühl, mit solchen
Raubtieren und Jägern im Wasser unterwegs zu sein. Sie können
jederzeit und von überallher wieder auftauchen. Das Wasser ist
ihr Element und sie sind gewiss um einiges schneller und wendiger
als ich. |
Trotz eines mulmigen Gefühles in der Magengegend
schnorchle ich weiter. Die Unterwasserwelt ist einfach zu faszinierend,
um sich von ein paar Haien davon abhalten zu lassen und die meisten
sind ja ungefährlich. Nun verstehe ich aber die Reaktion von
Susan, als sie vor ein paar Tagen blitzartig zurück ins Beiboot
wollte, als ihr ein solches Tier vor die Augen kam. Auch ich bin kurz
davor, wieder aus dem Wasser zu verschwinden. Doch wie auch bei Susan,
ist bei mir die Neugierde nach diesen Geschöpfen grösser
als die Angst vor ihnen. |
Langsam steigt der Grund an und das Wasser wird
seichter. Der Boden ist sandig und uninteressant. Nur vereinzelt sind
Fische zu sehen. Auf dem Sand wachsen in regelmässigen Abständen
Seegrasbüschel. Korallen habe ich noch keine entdeckt. |
Meine Augen gewöhnen sich an die Eintönigkeit
des Sandes und ich beginne die versteckten und verborgenen Dinge am
Grund zu erkennen. Plötzlich erhebt sich ein Rochen und schwebt
davon. Nur gerade die Enden seiner Tragflächen" bewegen
sich und er kommt mit Leichtigkeit voran. Ich muss all meine Energie
und Kraft zusammen nehmen, um ihm einigermassen folgen zu können.
Der Rochen verschwindet hinter dem nächsten Sandhügel und
als ich dort ankomme ist er verschwunden. |
Der Boden ist übersät mit riesigen Mördermuscheln.
Von ihnen sind aber nur die farbigen Lippen zu erkennen. Der grösste
Teil ist im Sand eingegraben. Die mehrfach geschwungenen beiden Mantelsäume
sind knallig gefärbt und greifen genau ineinander, wenn die Klappen
zusammengedrückt werden. Über die Gefährlichkeit der
Mördermuschel werden oft Schauermärchen erzählt. Tatsache
ist, dass man unversehens in die Falle der oft gut getarnten Muschel
geraten kann, wenn sie zum Selbstschutz, nicht aus Angriffslust, ihre
Schalen mit grosser Kraft schliesst und nicht mehr öffnet. Es
hat schon Unfälle mit eingeklemmten Menschenfüssen gegeben. |
Viele farbige Korallenstöcke sind leider
nicht zu sehen. Die Unterwasserlandschaft scheint zu sterben, denn
die wenigen Korallenstöcke leben nur nach an ihren Rändern.
An vielen Orten sind die Stöcke mit Sand und Korallenbruchstücken
bedeckt. |
Wer sich Zeit nimmt, wird trotzdem fündig.
Jeder Korallenstock sieht anders aus und jeder ist eine eigene Lebensgemeinschaft.
Viele Fische versammeln sich in den Korallenästen und sie verstecken
sich blitzschnell, wenn ich ihnen zu Nahe komme. Nur noch ihre farbigen
Körper schimmern im Verborgenen. Aus einer Höhle schaut
mich ein riesiger Fisch mit grossen, runden und traurigen Augen an. |
Ich bin nicht in Eile und verweile bei diesem
schönen, mit vielen farbigen Korallen übersäten Block.
Nach einer Weile werden die Fische neugierig und kommen aus ihren
Verstecken hervor. Ganz ruhig schwebe ich über ihnen und versuche
sie mit der Kamera einzufangen. Das ist nicht einfach. Weil ich mich
mit meinem Körper an der Wasseroberfläche befinde, bewege
ich mich ständig mit den Wellen. Dazu kommt, dass der Ausschnitt
im Bildschirm wegen der Helligkeit nur sehr schlecht zu sehen ist.
Jedes Bild ist ein Glückstreffer. |
Die Überreste eines Schiffes ziehen mich
als nächstes an. Viel ist von diesem ursprünglich grossen
Schiff nicht mehr zu sehen. Was muss sich vor Jahren hier abgespielt
haben, als dieses Schiff auf dem Riff zerschellte? Die Kräfte
müssen enorm gewesen sein, dass der Propeller so verbogen wurde.
Jetzt haben die Fische besitzt vom Wrack genommen. Ein ganzer Schwarm
versteckt sich im Schatten des Gebildes und im Hintergrund zieht ein
Hai vorbei
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Ich komme mir wie ein Flugzeug vor, das über
eine hüglige Landschaft fliegt. Genau so gleite ich über
den sandigen Boden der Lagune. Das Wasser wird immer seichter und
ich muss mich ganz schlank machen, damit ich nicht an die diversen,
spitzigen Korallen stosse. Ganz nahe vor meiner Tauchmaske ziehen
die verschiedensten Meeresbewohner vorbei. Ein unendlich langer Trompetenfisch
hängt unbeweglich über einem Stein. Die Schwanzflosse eines
leuchtend gelben Fisches fehlt fast gänzlich und es sieht aus,
wie wenn sie abgeschnitten wäre. Im nächsten Moment zieht
ein ganzer Schwarm Yellowfin an mir vorbei. |
Jeder Schnorchelausflug ist einmalig und jedes
Mal entdecken wir neue Formen und Farben. Es ist eine spannende Welt. |
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Alle Segelschiffe haben in der Zwischenzeit die
geschützte Lagune verlassen und sind auf dem Weg nach New Zealand.
Auf verschiedenen Funkrunden können wir verfolgen, wie sie vorwärtskommen
und was für Wetterbedingungen sie antreffen. Von absoluter Flaute
bis zu Wind in Sturmstärke ist alles zu hören. Auch MOANA
fährt los und hofft auf wenig bis gar kein Wind. Wann sollen
wir los? Was für Wind und Wetter erwartet uns? |
Ganz alleine sind wir nie im Riff. Schon bald
kommen die nächsten Segelschiffe. Viele von Ihnen haben kurz
vor der Einfahrt die Angelschnur ausgebracht und viel gefangen. Der
Fang an Thunfischen ist so gross, dass die Crews oft nicht alles selber
essen können und den Überschuss an die anderen Segler weitergeben.
Unser Kühlschrank füllt sich immer mehr mit frischem Fisch.
Susan ist in ihrem Element und verwöhnt uns mit den verschiedensten
Fischgerichten. Gebraten, gedämpft, gegrillt, als Salat, und,
und, und. Fast zu jeder Mahlzeit gibt es Fisch und es wird uns nicht
langweilig. |
Unsere Kinder und Fisch? Sina mag ihn gar nicht
und spuckt die kleinsten Stücke gleich wieder aus. Die Beilagen
schmecken ihr besser. Anina ist nach anfänglicher Skepsis begeistert
und hat ihre alte Liebe zu Fisch wieder gefunden. Bei Noemi scheint
der Appetit nach Fisch Tages abhängig zu sein. Bei der einen
Malzeit will sie auch das kleinste Stück nicht versuchen und
schiebt sogleich den Teller weg, wenn sie ein Stück Fisch darauf
entdeckt. Am nächsten Tag verschwindet die ganze Portion Fischsalat
in ihrem hungrigen Bauch. Na meh bitte"
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Wie sieht es aber mit der schon erwähnten
Fischvergiftung Ciguatera aus? Das Fischgift wird von Mikroorganismen
produziert, welche an der Oberfläche von Riffalgen gebildet werden.
Diese Algen sind die Nahrungsgrundlage von pflanzenfressenden Fischen.
Das von diesen Fischen aufgenommene Gift wird nicht mehr ausgeschieden
und sammelt sich in deren Körper an. Jedes Tier der weiteren
Nahrungskette nimmt das Gift in sich auf und speichert es. Je höher
in der Nahrungskette, um so giftiger kann ein Fisch werden. Hochseefische
wie Thuna, Marline, Mahi Mahi und der Wahoo sind nicht gefärdet,
da die Rifffische nicht auf ihrem Speiseplan stehen. |
Mit Frischfisch sind wir also gut versorgt. Leider
gehen uns die anderen Frischprodukte zu Ende. Auch die anderen Schiffe
auf dem Ankerplatz haben wenig Gemüse und Früchte an Bord,
da alle Frisch- und Milchprodukte in New Zealand nicht eingeführt
werden dürfen. Von einem Schiff erhalten wir einen ganzen Sack
Milchpulver, den sie sonst über Bord geworfen hätten
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Von der ANNA MARIA Funkrunde treffen immer mehr
Schiffe bei uns ein. Es ist interessant zu sehen, dass sich alle Schiffe
zu einer kleinen Gruppe formieren, obwohl in der Lagune doch so viel
Platz vorhanden wäre. In der Einsamkeit ist die Gemeinschaft
gefragt. |
Früh am Morgen stösst ein weiteres Schiff
zu unserer Gruppe. Es ist die SALIARA
mit Erwin, Omaira und ihrem einjährigen Sohn Shaddai an Bord.
Sie ankern gleich neben uns und haben ihr Dingi schon nach kurzer
Zeit im Wasser. Sie wollen uns Hallo sagen und bringen uns einen Kessel
frischen Thunfisch und zwei riesige Säcke mit allem möglichen
Gemüse und Früchten. Ihr seit schon so lange hier
im Minerva Riff, dass ihr sicher keine frischen Sachen mehr habt"
ist ihre einfache Antwort auf unsere fragenden Blicke. Wir sind überwältigt
und sprachlos. Anina und Noemi verschwinden geschwind auf dem Vordeck.
Beide mit einem grossen Rüebli in der Hand
Sie lieben dieses
knackige Gemüse über alles. |
Zusammen mit der CINDERELLA sind nun drei Schweizer
Schiffe in der Lagune und wir überlegen uns, ob wir nicht von
diesem Atoll Besitz ergreifen sollen. Wie wäre es mit einer Hotelanlage
für Geschäftsleute welche die Einsamkeit suchen oder nötig
haben? |
Wir erfahren, dass dieser Versuch schon einmal
unternommen wurde. Vor Jahren wurde mit dem Bau eines Hotels begonnen.
Nach dem Erstellen der Betonplattform wurde dieses Unternehmen aber
wieder abgebrochen
Überreste davon müssen irgendwo
auf dem Atoll noch zu finden sein. |
Offiziell scheint das Minerva Riff zu Tonga zu
gehören. In den Seekarten ist diesbezüglich aber nichts
vermerkt. Nachdem eine Gruppe das Atoll besetzte, bat der König
von Tonga New Zealand um militärische Unterstützung, um
die Besetzer wieder zu vertreiben. Mit einem Aufgebot an Kriegsschiffen
wurde das Riff von den Störenfrieden gesäubert und Tonga
begann ein Leuchtfeuer auf dem Riff zu errichten (es wurde nie fertig
gestellt), um seinen Besitzanspruch zu festigen. Grund dafür
ist der Fischreichtum der Gewässer. |
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Für viele Segler ist des Minerva Riffes eine
gut geschützte Möglichkeit einen Stopp auf der Fahrt nach
New Zealand einzulegen. Niemand weiss genau, wann die Fahrt weitergeht.
Vielleicht zwingt einem das Wetter schon am nächsten Tag, weiter
zu fahren. Wir haben uns von Anfang an vorgenommen, etwas länger
hier zu bleiben um das Atoll zu erkunden. Macht man seine Augen auf,
gibt es viel zu sehen und zu entdecken. Wie wäre es zum Beispiel
mit dem kleinen Zwei-Stunden-Strand? |
Bereits letzte Woche haben wir diesen Strand gefunden
und er lässt uns einfach nicht mehr los. Es ist ein so schöner
und spezieller Ort. Je nach Gezeitenstand schaut mehr oder weniger
Sand aus dem Wasser und nach zwei Stunden deckt das Hochwasser den
Fleck wieder ganz mit Wasser zu. Diese kurze Zeit reicht aus, um uns
einen vergnüglichen Badeplausch zu schenken. |
Unsere Touren an Land" verschafft den
Kindern eine gute Möglichkeit, ihre Energie etwas abzubauen.
Das ist an Bord nicht immer möglich. Doch auch hier gibt es mit
ein wenig Phantasie immer etwas Vergnügliches zu tun. |
Auf dem Vorschiff haben wir zwischen Mast und
Vorstag ein Schaukel gespannt. Immer wieder kommt es zum Kampf zwischen
Noemi und Anina, wer nun auf die Schaukel darf. Das wird uns zu dumm
und wir bauen die Schaukel kurzerhand in eine Doppelschaukel um. Siehe
da, jetzt herrscht plötzlich Frieden und Einheit. |
Kurz nach dem Aufstehen am Morgen sind die zwei
Mädels verschwunden. Das leichte Wippen des Schiffes verrät,
wo sie zu finden sind: auf der Schaukel. Sie brauchen nicht gross
anzugeben. Die Schaukelbewegung des Schiffes besorgt das für
sie. Gut festhalten ist aber angesagt, denn die Schaukel schwingt
weit über die Reeling hinaus
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Seit wir vor über einer Woche angekommen
sind, ankern wir an der genau gleichen Stelle. Der Wind hat in dieser
ganzen Zeit nie gross die Richtung geändert. Jetzt ist aber etwas
im Anzug. PANGAEA hat sich immer mehr gedreht und das Heck schaut
nun zum Riff und nicht mehr in die Lagune. Es wird Zeit den Ankerplatz
zu wechseln. |
Wir fahren quer über die ganze Lagune, damit
der Wind am Ankerplatz wieder über den Riffgürtel auf uns
zu bläst. Es ist zur Zeit sehr ruhig und wir stoppen an einem
schönen Platz, um erneut in die Unterwasserwelt einzutauchen.
Für die Nacht suchen wir aber die Gemeinschaft der anderen Segelschiffe.
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Der neue Ort ist nicht mehr so ruhig wie der alte.
Das Riff ist weniger hoch und die Ozeanwellen finden ihren Weg über
die Korallen. So kommt es, dass bei Hochwasser die PANGAEA fest hin
und her schaukelt. Erinnerungen an die Kailua-Bay werden wach. Sechs
Stunden später herrscht wieder Ruhe. Es ist Ebbe. |
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Nach der Nacht ist im Schiff alles feuchtnass.
Hat es geregnet? Nein, aber die Luftfeuchtigkeit ist so hoch, dass
die Böden, Wände, ja einfach alles feucht ist. Das sind
die ersten sichtbaren Zeichen für einen Wetterumsturz. Der Himmel
ist diesig und verhangen. Wir versuchen die feuchten Kleider an Deck
zu trocknen, doch es gelingt nicht. |
Es wird immer dunkler und von hinten nähert
sich eine schwarze Wand. Der Wind legt immer mehr zu und beginnt zu
drehen. Innerhalb von Sekunden ist die Sicht gleich null und es giesst
wie aus Eimern. Mit unserem Regenverdeck füllen wir innert Minuten
all unsere Behälter. |
Eine Orientierung ist praktisch nicht mehr möglich.
Ein Blick auf den Kompass verrät mir, dass der Wind sage und
schreibe 180° gedreht hat und das in weniger als fünf Minuten!
Wir schauen mit dem Heck also wieder zum Riff
Was soll's, der
Wind hat ja wieder nachgelassen und morgen wollten wir so oder so
los segeln. Wir bleiben hier. |
Doch es kommt anders. Eine Stunde nachdem der
Regen nachgelassen hat, sind alle Schiffe wieder auf der Südwestseite
des Riffes versammelt
Mitten in der Nacht über die Lagune
zu fahren, wäre uns doch etwas zu gefährlich gewesen. Wir
schlafen bestimmt ruhiger hier, was vor dem morgigen Start nicht zu
verachten ist. |
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Alles ist bereit. Wir hören uns noch die
Wetterinfos von Winfried ab, dann heben wir den Anker. Es kehrt wieder
Ruhe und Stille im Minerva Riff ein, denn alle fünf Schiffe stechen
in See. Einsam liegt die Lagune hinter uns, als wir durch den brodelnden
Pass aufs Meer hinaus segeln. |
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