28.-31.10.2003
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Unser Weg führt uns durch die vielen Inseln
der Hapai-Gruppe. Dies ist nur tagsüber ratsam und darum versuchen
wir schon bald von den Inseln frei zu kommen. Hart am Wind lassen
wir die letzte kleine Insel hinter uns. Der Weg ist nun frei bis nach
Tongatapu. |
Anina, Sina und Susan liegen auf der Cockpitbank
und schlafen. Ich sitze ihnen gegenüber und halte nach anderen
Schiffen Ausschau. Noemi ist bei mir auf dem Schoss eingeschlafen
und auch mir fallen die Augen zu. |
Als ich das nächste Mal mit müden Augen
den Horizont absuche bin ich sofort wach. Das Wasser vor uns kocht
und die Wellen brechen sich! Ein Schiffs-Wrack schaut zum Wasser heraus.
Was ist denn das? Wir halten direkt darauf zu! Ein Blick in die Seekarte
und wir wissen es: Das Hakaufisi Riff. Wir sind etwas weit vom Kurs
abgekommen. Wir fahren sofort eine Wende und passieren das Riff in
sicherem Abstand. Ist der Weg jetzt wirklich frei nach Tongatapu?
Wir prüfen unseren Kurs noch einmal und sind nun sicher, dass
kein Riff mehr auf oder an unserem Weg liegt. |
Das Träumen geht weiter. Alle studieren den
wartenden Briefen nach. In unseren Vorstellungen wird der kleinste
Brief zu einem riesigen Paket! Wer bekommt was? Es wird uns bewusst,
wie sehr wir diese Art von Post vermissen. Die elektronische Post
hat bei uns an Bord grosses Gewicht und wir wollen sie nicht missen.
Ihre Schnelligkeit und Verfügbarkeit mitten im Pazifik ist unschlagbar.
Doch sie kann einen persönlichen Brief nicht ersetzen. Vielleicht
sind wir da ein wenig altmodisch. Emails sortieren wir und legen sie
in elektronischen Ordnern ab. Richtige Briefe hingegen erhalten bei
uns am Bord einen besonderen Aufbewahrungsort. Eine mit einem Monet
Bild geschmückte Schachtel beinhaltet all unsere handfeste Post.
Auf einsamen Ankerplätzen, wenn das Heimweh etwas stärker
ist als sonst, holen wir diese Monetschachtel hervor und lesen die
Briefe und Zeitungsartikel wieder durch. Müssen wir in Nuku'alofa
eine neue, zusätzliche Schachtel für die Briefe bereitstellen? |
Der Wind weht günstig und wir können
direkt die Ansteuerung von Tongatapu ansteuern. Es ist traumhaftes
segeln! Die Einfahrt in die Lagune erweist sich als etwas verwirrend.
Alle Tonnen, die in der Seekarte eingezeichnet sind, fehlen. Aus diesem
Grund suchen wir uns den Weg mit Hilfe des GPS und der Karte. Wahrscheinlich
wäre das Wasser für uns überall genug tief. Doch wir
lassen uns lieber nicht auf eine Testfahrt ein. |
Direkt vor dem Hafen von Nuku'alofa werfen wir
den Anker. Über Funk nehmen wir mit dem Trans Ocean Stützpunkt
Kontakt auf. Paul meldet sich sogleich. Er werde uns im Hafen abholen,
da er so oder so dort vorbei müsse. Er fährt mit uns durch
ganz Nuku'alofa und zeigt uns alle wichtigen Orte: Markt, Post, Botschaft
von New Zealand, Supermarkt, usw. Am anderen Ende der Stadt ist er
zu hause. |
Seine Frau Edith übergibt uns ein kleines
Bündel mit Briefen. Wir sind überrascht und enttäuscht
zugleich, dass nach über einem halben Jahr nur so wenig Post
für uns angekommen ist. Fehlt wirklich nichts? Nein, das sei
alles, was angekommen sei. |
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Wir bereiten alle nötigen Unterlagen für
das Visum von New Zealand vor. Am schwierigsten erweist sich das erstellen
der Passfotos. Es braucht eine ganze Weile, bis alle auf ihrem Bild
ein vernünftiges Gesicht machen. |
Wir wissen von einem Seglerpaar, welches das Visum
bereits nach 15 Minuten in ihren Pässen hatte. Ob es bei uns
auch so schnell geht? Wir sind kurz vor der Öffnungszeit des
Immigration Büros bei der Botschaft und bereits wartet eine ganze
Schlange von Leuten auf den Einlass. Wir stellen uns auf eine lange
Wartezeit ein. Susan verschwindet mit den Kindern schon bald wieder
ins Freie. Auf der Hauptstrasse gibt es Interessanteres zu sehen als
im Büro. Viele Kinder und Jugendliche in farbigen Schuluniformen
bereiten sich auf die Parade vor, welche die laufende Parlamentssession
abschliesst. |
Endlich komme ich im Immigration Büro an
die Reihe. Die Dame nimmt das ganze Bündel Papiere entgegen.
Doch sie schaut sich den Stapel gar nicht so genau an. Sie tippt meinen
Namen in den Computer und meint dann, dass Morgen Nachmittag unsere
Pässe bereit seien! Was hat ihr die Kiste auf dem Tisch wohl
über mich erzählt? |
Auf der Strasse ist das Gedränge immer dichter
geworden. Von überallher strömen die Leute herbei. Die einzelnen
Schulklassen üben ein letztes Mal ihren Gesang. Plötzlich
geht ein Jubeln und Winken durch die Reihen der Zuschauer. Ein grosses,
schwarzes, geschlossenes Fahrzeug fährt durch die Reihen. Alle
Winken dem einzigen Fahrgast zu. Das muss der König von Tonga
sein! Es folgen noch einige weitere geschlossene Fahrzeuge mit irgendwelchen
hohen Regierungsbeamten. Den Abschluss bildet eine Marschmusik. War
das die ganze Parade? Ja, und schon zerstreuen sich all die Zuschauer
wieder. |
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Die wenige Post lässt uns einfach keine Ruhe.
Wir gehen beim Postgebäude vorbei und fragen, ob vielleicht noch
etwas Postlagernd für uns da sei. Leider nicht. Schade. |
Die Vorräte auf unserem Schiff gehen langsam
zu Ende. Doch das ist gut so, denn wir dürfen vieles in New Zealand
nicht einführen. Ein Blick in die Supermärkte werfen wir
trotzdem. Es ist spannend zu sehen, was hier verkauft wird. Das allgegenwärtige
Corned-Beef sticht uns einmal mehr in die Augen. Die grösste
Büchse fasst über ein Kilogramm! Wettbewerbe werden rund
um das Produkt abgehalten und die Regale biegen sich unter der Last
der Büchsen. Wir können uns mit dem fettigen Fleisch nicht
anfreunden. |
Der Bauernmarkt zieht uns viel mehr an. Frischprodukte
sind nach wie vor Mangelware bei uns auf dem Schiff. Darum sind wir
gespannt darauf, wie gut dotiert der Markt von Nuku'alofa ist. In
einem zweistöckigen, offenen Gebäude finden wir neben lokaler
Handwerkskunst auch viele Frischprodukte: Radieschen, grüner
Salat, Kohl, frische Erdnüsse in Bündeln, Peterli, Aubergine,
Mais, Bohnen, Tomaten, Gurken, und, und, und. Es ist der beste Markt,
seit wir Hawaii verlassen haben. |
Nuku'alofa heisst auf deutsch Ort der Liebe".
Es war schon seit Jahrhunderten Regierungssitz der königlichen
Familie. Sein von Korallenriffen geschützter Hafen ermöglichte
es der zunächst dörflichen Ansiedlung, sich zu einem Knotenpunkt
der Wirtschaft und des Handels zu entwickeln. Nuku'alofa wuchs sich
zu einer kleinstädtischen Metropole aus. Ministerien, Verwaltungen,
Banken, Post, Geschäfte, Hotels und Gastronomie konzentrieren
sich in der Hauptstadt. Entsprechend gross ist das Angebot an Läden
und Restaurants, die zum Verweilen und Geld ausgeben einladen. |
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Die Tonga-Inseln liegen im Südpazifik zwischen
15° und 23.5° südlicher Breite und 173° und 177°
westlicher Länge. Sie erstrecken sich von Norden nach Süden
über 750 Kilometer. Eingerahmt ist der Zwergstaat Tonga von Samoa
im Nordosten, von Wallis, Futuna, Alofi und Tuvalu im Nordwesten und
Fiji im Westen. Von der südlichsten Insel Tongas bis zur Nordinsel
New Zealands sind es 1900 Kilometer. |
Die Landfläche beträgt nur 748 km².
Das ist etwas grösser als der Kanton Glarus (658 km²). Die
kleinen Inseln verlieren sich fast in der Meeresfläche von 259'000
km², die zum Hoheitsgebiet des Königreiches Tonga gehören. |
Tongatapu ist mit 1/3 der Landfläche Tongas
die Hauptinsel und das Zentrum des kleinen Königreiches. Hier
leben über 2/3 der Bevölkerung. Tongatapu ist eine schräg
liegende koralline Platte, pfannkuchenartig flach. Die Koralleninsel
bildet an der Südküste eine bis zu 30 Meter hohe Steilküste
und fällt nach Norden kaum merklich ab. Tongatapu ist landwirtschaftlich
stark genutzt. Ausgedehnte Kokosplantagen, Felder mit Taro, Yams,
Süsskartoffeln und Ananas, sowie Pflanzungen mit Bananen und
anderen Feldfrüchten bestimmen das allgemeine Landschaftsbild.
Die Insel ist 32 Kilometer lang. |
Eine Insel ohne Berge und ohne Steigungen ist
ideal, um mit dem Velo erkundet zu werden. Wir wollen mit unseren
Rädern in den Norden der Insel vordringen. |
Wir sind schon eine ganze Weile unterwegs, als
ein betäubender Lärm an unsere Ohren dringt. Wir blicken
suchend umher. Da sehen wir plötzlich die Quelle dieses Gekreisches:
Dutzende von Flughunden (flying foxes) hängen in den Kasuarinenbäumen
am Strassenrand. Diese grossen Fledertiere mit einer Flügelspannweite
von über einem Meter, hängen über Tag kopfüber
und meistens schlafend in den Bäumen. In der Nacht gehen sie
auf Nahrungssuche. Ihre Nahrung besteht jedoch nicht aus Insekten,
wie bei den uns bekannten Fledermäusen, sondern aus Früchten,
nicht immer zur Freude der Inselbewohner. Doch nach einem königlichen
Dekret sind diese Flugsäuger auf Tonga unter Schutz gestellt. |
Wir kommen auf der guten Strasse zügig vorwärts.
Plantagen und Dörfer wechseln sich ab. Immer wieder säumen
grosse, stattliche Häuser die Strasse. Sie sind gut gepflegt
und in den Gärten wachsen die schönsten, tropischen Blumen.
Immer wieder entdecken wir auch verlassene und verlotterte Gebäude.
Sind sie wirklich verlassen? Wir sind uns da nicht so sicher, denn
um die Häuser sind immer Hunde, Schweine und Hühner zu sehen. |
Wir sind am nördlichsten Punkt von Tongatapu
angekommen. Weiter geht die Strasse nicht mehr. Durch hohes Gras führt
ein schmaler Pfad bis ans Meer. Das klare Wasser lädt zum Schnorcheln
ein. Leider haben wir die Taucherbrille nicht dabei und der starke
Wind lässt die Temperatur viel tiefer erscheinen als sie ist.
So lassen wir das Baden sein. |
Für einmal von einem festen Untergrund aus
geniessen wir die Weite des Meeres, das Farbenspiel des Wassers, den
klaren Himmel und die Ruhe. In der Ferne sehen wir, wie sich die Dünung
des Pazifik am Korallenriff bricht. Innerhalb des Riffes ist das Wasser
ruhig und wird nur durch den Wind gekräuselt. Das Ufer bricht
schroff ab und das Wasser unterspült den Felsen. In den Buchten
bilden sich versteckte, kleine Sandstrände. Ein schöner
Platz für eine Rast. |
Wir fahren wieder in Richtung Nuku'alofa entlang
der Südwestküste. Vom Meer sehen wir nicht viel, denn die
Strasse ist etwas von der Küste zurückversetzt. Auf beiden
Seiten der Strasse sind riesige Felder mit Melonen und Kürbissen.
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Nun merken wir, warum die Fahrt in den Norden
so einfach gegangen ist: Wir hatten Rückenwind und nun bläst
uns der Wind mit voller Kraft entgegen. Obwohl die Strasse völlig
flach und gut ist, wird die Fahrt zu einer enormen Kraftanstrengung.
Immer wieder müssen wir eine Pause einlegen oder ein Stück
zu Fuss gehen. Wir nehmen die nächste Abzweigung zum Meer. Dort
wollen wir rasten. |
Ein grandioses Panorama öffnet sich unserem
Blick, als wir aus dem Palmenwald heraus sind. Terrassenförmig
fällt die Küste zum Meer ab. Die unterste Terrasse wird
immer wieder mit Wasser überspült, steht aber nur knietief
unter Wasser. Am Absatz dieser Stufe spritzen und schiessen die Wellen
in die Höhe. Die Luft ist mit salzigem Dunst getränkt und
der Lärm der Brandung dröhnt in unseren Ohren. |
Die Zeit vergeht viel zu schnell. Wir müssen
weiter, denn wir haben noch einen wichtigen Termin bei der Botschaft
von New Zealand. Wir wollen unsere Pässe wieder abholen. Ob wir
nicht schon zu spät dran sind? Es ist ein weiter Weg zurück
in die Hauptstadt und der Wind bläst uns entgegen. Wir mobilisieren
unsere letzte Energie und treten kräftig in die Pedale. Der Weg
scheint um einiges länger zu sein, als bei der Hinfahrt. |
Je näher wir Nuku'alofa kommen, um so dichter
wird der Strassenverkehr. Dass hier Linksverkehr herrscht, wissen
wir eigentlich, doch die Umstellung in unseren Köpfen hat sich
noch nicht vollzogen. Immer wieder finden wir uns auf der falschen
Seite wieder. Mit dem Fahrrad ist das nicht so gravierend
|
Noch vor dem gesetzten Termin sind wir bei der
Botschaft und können unsere Pässe entgegen nehmen. Jetzt
haben wir alles, um in New Zealand einreisen zu können und wir
haben alle Besorgungen in der Stadt erledigt. |
Nach diesem anstrengenden Tag haben wir Ferien
nötig. Noch am Abend lichten wir den Anker und fahren nach Pangaimotu,
einer kleinen Insel gegenüber von Nuku'alofa. An diesem Abend
wird es schnell still auf dem Schiff. |
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