12.05. - 21.05.2004
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Die A-Tonne der Hafeneinfahrt von Tauranga liegt
quer ab. Mächtig erhebt sich der Mount Maunganui gleich neben
uns. Alle sind zufrieden und alles funktioniert an Bord. Seit langem
taucht PANGAEA wieder in die Dünung des Meeres ein. Mit einer
gewissen Skepsis beobachte ich Sina. Wird sie das Schaukeln vertragen?
In der Marina hat sie bereits das leichte Schaukeln des Schwimmsteges
zum Schreien gebracht. Die nächsten Stunden werden es zeigen. |
Bevor wir die Segel setzen,
wollen wir die elektrische Selbststeueranlage starten. Schnell ist
der Zahnriemen montiert und der rote Knopf des Gerätes gedrückt.
Das Schiff läuft aus dem Kurs und der Motor der Selbststeueranlage
macht keinen Wank... Wir haben den Motor doch am Ankerplatz getestet
und dort hat er einwandfrei funktioniert. Nach drei Monaten reparieren,
erneuern und flicken hatten wir eigentlich gedacht, dass wir für
längere Zeit Ruhe vor Reparaturen hätten. Dem scheint nicht
so. Christoph hat aber bereits eine Vermutung, was defekt ist und
so mache ich mir keine weiteren Gedanken. Vor allem, weil unser nächstes
Ziel nur gerade 20 Seemeilen entfernt liegt. |
Wir setzen die Segel. Die Silhouette von Tauranga
verschwindet immer mehr im Dunst. Wann werden wir das nächste
Mal wieder hier sein? |
Da die Selbststeueranlage nicht funktioniert,
übernimmt Christoph das Rudergehen. Es scheint ihm nicht viel
auszumachen, denn das Schiff läuft wie auf Schienen, da der Seegang
nur mässig und der Wind nicht sehr stark ist. |
Und was machen unsere Kinder? Es vergeht keine
Stunde, da liegen sie alle im Salon und schlafen. Seeluft macht müde,
das merke ich selber. Nur mit Mühe kann ich die Augen offen halten.
Fast die ganze Überfahrt verschlafen die Kinder. Erst als wir
kurz vor dem Ziel sind, werden sie wieder munter. |
Die Sonne ist bereits hinter dem Horizont versunken
und schnell bricht die Dunkelheit herein, als unser Anker in der kleinen
South East Bay der Mayor Island sich im Grund eingräbt. Es ist
still. Kein Laut dringt an unser Ohr, nur das Dröhnen eines Generators,
der neben einem der Häuser steht. Komfort muss sein
|
Christoph nimmt sich sogleich dem Motor der Selbststeueranlage
an. Doch ich merke bald, dass etwas nicht in Ordnung ist. Einer der
Drähte hat sich von der Lötstelle gelöst und als wir
gemeinsam versuchen diesen wieder anzulöten, verschwindet der
Kontakt im Innern des Motors. Nachdem Christoph den Motor geöffnet
hat, stellt sich heraus, dass der Motor definitiv kaputt ist und mit
unseren Mitteln nicht mehr repariert werden kann. Was jetzt? |
Sollen wir weiter segeln, bis nach Opua von Hand
steuern und dort nach einem Ersatz suchen? Oder sollen wir nach Tauranga
zurückkehren? Die Entscheidung fällt noch an diesem Abend:
Wir werden zurück nach Tauranga segeln. Wir sind noch nicht sehr
weit entfernt von einem uns vertrauten Umfeld. Wir wissen, in welchen
Geschäften wir vorbeigehen müssen, um einen Ersatzmotor
zu bekommen. 200 Seemeilen von Hand steuern und dann in einem unbekannten
Umfeld nach Ersatzteilen zu suchen, wollen wir nicht. |
In der Nacht zieht die erste Regenfront über
uns hinweg und als wir am Morgen aus der Niedergangsluke schauen,
erwartet uns eine Landschaft grau in grau. Wir starten trotzdem, heben
den Anker und schon nach kurzer Zeit setzen wir die Segel. Der Wind
kommt aus einer günstigen Richtung und schiebt uns rasch vorwärts.
In nicht mehr weiter Entfernung kommt eine graue Wand auf uns zu.
Ausweichen ist unmöglich. Christoph verharrt am Steuer und ich
suche mit den Kindern Schutz im Schiff. Laut prasselt der Regen aufs
Deck. Ein wahrer Sturzbach fällt vom Himmel. Christoph sitzt
triefend nass am Steuer, als ich kurz einen Blick nach draussen wage.
Doch alles ist in Ordnung. Nur der Wind will nicht mehr so richtig.
Innerhalb von Minuten dreht er um 180°. Wir entscheiden uns, den
Rest der Strecke unter Motor zurückzulegen. |
Es dauert lange, bis wir den Mount wieder zu sehen
bekommen. Er versteckt sich hinter Wolken. Verhangen steht er in der
Einfahrt und begrüsst uns nach unserem kurzen, ersten Schlag.
Vieles ist nass an Bord und wir beschliessen zurück in die Marina
zu fahren. Dort haben wir Stromanschluss und können unseren Heizer
in Betrieb nehmen, um alles zu trocknen. Unsere Freunde in der Marina
machen grossen Augen, als sie uns wieder sehen. |
Wir haben Glück. Ein Ersatzmotor kann bestellt
werden und wird bereits am nächsten Tag eintreffen. Wir nutzen
die Gelegenheit und kaufen noch einmal Frischprodukte ein. Ansonsten
brauchen wir eigentlich nichts mehr. Wir trocknen unsere Sachen und
verbringen eine weitere Nacht in der Marina. |
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Eine riesige Menschenansammlung säumt den
Strand vor der Marina. Viele sind mit einem Feldstecher ausgerüstet
und alle schauen gebannt auf die Bay hinaus. Partyzelte wurden errichtet
und diverse Plakate aufgehängt. Ein Helikopter kreist über
unseren Köpfen und diverse Fischerboote ankern entlang der Wasserstrasse.
Einen solchen Rummel um unser zweites Auslaufen aus Tauranga haben
wir nicht erwartet. |
PANGAEA tuckert gemütlich mit vier Knoten
dem Hauptfahrwasser entgegen, als das in Führung liegende Schnellboot
mit mindestens 25 Konten an uns vorbei dröhnt. Das Boot berührt
nur noch mit dem Heck die Wasseroberfläche, der Rest schwebt
in der Luft. Wir befinden uns mitten in einem Schnellbootrennen, das
in der ganzen Bay ausgetragen wird. Nun verstehen wir den Menschenauflauf. |
Wir versuchen uns ganz am Rand des Fahrwasser
zu halten, um niemandem in die Quere zu kommen. Im Hauptfahrwasser
dachten wir eigentlich allen Gefahren aus dem Weg zu sein. Doch in
diesem Moment kommt ein Containerschiff, gezogen und gestossen von
zwei Schleppern, auf uns zu. Also noch einmal ausweichen und ganz
auf die Seite fahren. Jetzt ist der Weg frei. |
Wir blicken zurück auf die Harbor-Bridge
(Hafenbrücke), welche auf beiden Seiten von Containerschiffen
eingerahmt wird. Meine Gedanken wandern in die Vergangenheit: Wie
oft haben wir doch unsere Fahrräder über diese flache Brücke
gestossen. Wegen des immensen Lastwagenverkehres bevorzugten wir jeweils
das nur Leggero breite Trottoir. Wir konnten die Brutpflege eines
Möwenpärchens mit verfolgen, die sich als Nistplatz einen
alten Holzpfeiler ausgesucht hatte, der sich genau unterhalb des Trottoirs
befand. Die Jungen wurden gefüttert und umsorgt. Krächzend
reckten sie ihre Hälse den Eltern entgegen. Und dann kam die
Zeit, dass sie flügge wurden. Das Nest war leer. |
Auch für uns heisst es nun ausfliegen zu
neuen Ufern und Inseln. Wir ziehen unter Motor am Mount entlang und
setzen die Segel erst vor der Ansteuerungstonne, als wir uns auf unserer
nächsten Kurslinie befinden. Zwei liebe, still winkende Zuschauer
verfolgen unseren Kurs: June und Sig stehen am Fuss des Mount Maunganui
und lassen uns unter Gottes Schutz weiter ziehen. |
Die Selbststeueranlage funktioniert, auch wenn
sie ein ganz neues, ungewohntes Geräusch von sich gibt. Auch
an dieses werden wir uns gewöhnen. |
Die Sonne steht bereits tief und die Temperatur
sinkt rapide. Ein bissig kalter Wind lässt uns Faserpelz, Regenhose,
Regenjacke, Stirnband, Handschuhe und Schlafsack für die bevorstehende
Nachtwache bereitmachen. Gerne übernehme ich die Aufgabe, die
Kinder ins Bett zu bringen. So kann ich mich auch unter die wärmende
Bettdecke legen. Es ist erst kurz nach sechs Uhr, als die Kinder bereits
schlafen. |
Ich lausche dem Rattern der elektrischen Selbststeueranlage
und dem Sausen des Windgenerators. Schliesslich falle ich in einen
unruhigen Schlaf. Wachablösung. Es ist 23:00 Uhr. Christoph ist
froh, an die Wärme wechseln zu können, und ich richte mich
für die nächsten Stunden ein. Lesen will ich vorerst nicht,
da ich meinen Magen nicht übermässig strapazieren will.
So bleibt mir nur noch still sitzen und singen. |
Wir sind zu schnell. Die Strömung schiebt
und mit ihrem neuen Unterwasseranstrich gleitet PANGAEA einfach so
dahin. Vor uns liegt eine Meerenge, die wir nicht bei Nacht durchqueren
wollen. Also Richtungsänderung und einen Schlag aufs offene Mehr
hinaus. Aber nur so weit, dass wir in der Morgendämmerung wieder
am Ausgangspunkt zurück sind. |
Unser Ziel ist die Rapid Bay, ein schmaler Einschnitt
in der Küste der Great Mercury Island. Auf beiden Seiten steigen
schroffe Felskanten in die Höhe, welche mit Gras überwachsen
sind. Wasser tropft ins Meerwasser und das Blöcken von Schafen
begrüsst uns. Ein ungewöhnlicher, strenger Duft liegt in
der Luft, als wir unseren Anker auf drei Meter Tiefe setzen. Das Wasserthermometer
zeigt nur 15°C an. Damit ist klar, dass die Schwimmutensilien
einmal mehr an Bord bleiben und dafür Stiefel und Faserpelz montiert
werden. |
Ein langgezogener Strand, saftig grüne Weiden
und weich gezogene Hügel laden zum verweilen und wandern ein.
Gleich vor uns steigt das Gelände steil an. Der ganze Hügel
wird von den verschiedensten Tieren bewohnt. Wir entscheiden uns für
die weibliche Seite der Viehweide und lassen die Stiere mit ihrem
durchdringenden Blick in ihrem Gehege rechts von uns. Immer schön
dem Zaun entlang erklimmen wir den Hang. Vorbei geht es an Kühen,
Schafen und Gänsen. Alle sind im selben Gehege untergebracht. |
Ein grandioser Ausblick öffnet sich uns,
als wir den Gipfel erreicht haben. Der Panoramablick reicht über
die ganze Mercury Inselgruppe und die Coromandel Halbinsel. Mir gefällt
die Zusammensetzung der kräftigen Farben: Das saftige Grün
der Weiden und die dunklen Kühe und weissen Schafe darin, das
tiefblaue Meer als Hintergrund und mittendrin die leuchtende PANGAEA
an ihrem Ankerplatz. Ein herrlicher Anblick. |
Gerne würden wir ein paar Tage in dieser
Idylle bleiben, doch die momentane Wetterlage spornt uns an, weiter
in den Norden zu segeln. Mit angenehmen 15 bis 20 Knoten bläst
der Wind aus Südost, also achterlich auf unser Schiff, und bläht
die ausgebaumte Genua auf. Das Grosssegel setzen wir bei diesem Wind
nicht. Die Genua genügt, um das Schiff durch die See zu ziehen
und das Grosssegel würde der Genua nur den Wind weg nehmen. PANGAEA
surft regelrecht auf den Wellen und das GPS zeigt oft die Geschwindigkeit
von über sieben Konten an. Endlich funktioniert auch unsere Wind-Selbststeueranlage,
nachdem Christoph die ganze Anlage überholt und gewisse Zusatzgewichte
entfernt hat. |
Überall ragen kleine und grosse Felsbrocken
aus dem Wasser. Es erweckt den Anschein, als ob Riesen mit Steinen
Boccia gespielt und ohne aufzuräumen das Spielfeld verlassen
hätten. Nachts hätten wir einen grossen Bogen um diese Inseln
gemacht, jetzt aber lassen wir uns von ihnen faszinieren. Hier ist
eine Insel wegen der verschiedenen Gesteinsschichten gestreift. Da
prangt mittendrin ein grosses Loch. Wieder eine andere ist von tausenden
von Seevögeln weiss gepunktet. |
Doch wo ist nun die Einfahrt in unsere nächste
Ankerbucht? Port Fitzroy auf Great Barrier Island ist ein grosser,
natürlicher Hafen. Es gibt zwei Zufahrten. Die Eine ist nur gerade
100m breit und die Andere etwa 200m. Wir wollen durch die schmale
Einfahrt hineinfahren. Doch lange können wir den Durchgang zwischen
den hohen Hügeln nicht erkennen. Wir verlassen uns auf das GPS
und natürlich auf unsere Augen. |
Der Anker fällt kurz nach Sonnenuntergang.
Die Ruhe der einbrechenden Nacht ist einmalig. Kein Windhauch kräuselt
die Wasseroberfläche und kein Laut (auch nicht von einem Generator)
dringt an unser Ohr. |
Der Alltag an Bord hat bereits wieder Einzug gehalten.
Kochen, Abwaschen, Routenplanung, Wetterberichte einholen, Geschichten
erzählen, malen, Sinas Windeln wechseln und auswaschen, und,
und, und. Die strenge Zeit auf dem Hardstand ist schon fast wieder
vergessen. |
Heute Abend ist das Auswaschen der Stoffwindeln
das reinste Vergnügen. Im Dunkeln leuchtet das Wasser auf, als
ich die Windeln durch das Wasser schwenke. Es glitzert wunderschön
silbern und sieht aus wie tausend Diamanten. |
Die Ruhe dauert nicht die ganze Nacht an. Eine
Regenböe nach der anderen zieht über uns hinweg. Auch am
nächsten Morgen sieht es nicht viel besser aus. Die Windböen
kommen mit gewaltiger Kraft die Berghänge hinunter und lassen
unsere PANGAEA erschüttern. Wie muss der Wind wohl ausserhalb
der geschützten Ankerbucht toben? Wir entscheiden uns, heute
nicht weiter zu segeln und legen einen gemütlichen Schiffstag
ein. Durch das Schiff zieht der feine Duft von frisch gerösteten
Maroni. June und Sig haben so viele gesammelt, dass sie unmöglich
alle selber essen konnten. Bei den meisten Neuseeländern sind
die Chestnut unbekannt. June und Sig wussten, dass wir als Schweizer
diese feine Frucht sicher kennen und wahrscheinlich auch gern haben.
Das haben wir! Zusammen mit einer frisch zubereiteten Kürbissuppe
kommt so richtig Herbststimmung auf. |
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Ein neuer Tag bricht an und ein weiterer Schlag
in den Norden ist geplant. Wir entscheiden uns für einen erneuten
Nachtschlag. Schnell ist der Anker gehoben und wir fahren aus dem
geschützten Port Fitzroy hinaus aufs Meer. Nur ein paar Seevögel
begleiten uns. Plötzlich beginnt das Wasser an der Oberfläche
zu kochen. Zuerst vermuten wir, dass es sich um ein Sonnen-, Wolken-
und Windspiel handelt. Doch es verschwindet immer wieder und taucht
an einem anderen Ort wieder auf. Es bewegt sich sogar in unsere Richtung.
Dann erkennen wir den Grund für diese ungewöhnliche Welle:
Tausende von Fischkörpern wirbeln das Wasser auf. Eine regelrechte
Fischwelle und damit das wahre Schlaraffenland für die Seevögel. |
Wir kommen gut voran und segeln die ganze Nacht
mit ausgebaumter Genua in den Norden. Noch in der Morgendämmerung
fahren wir in Opua ein und der Anker fällt in bekanntem Umfeld.
Unsere Probefahrt ist abgeschlossen. Unser Schiff hat sich bewährt
und auch die ganze Crew. Sina hat ihr anfängliches Unbehagen
gegenüber den Wellen schon nach kurzer Zeit verloren. Im Gegenteil,
das Unbehagen hat sich in Freude verwandelt und jede Welle, die unser
Schiff so richtig zum schaukeln bringt lässt sie auflachen. Auch
Anina, Noemi und wir haben uns wieder gut eingelebt auf unserem schwankenden
zu Hause. |
Wir sind bereit für die nächste grosse
Etappe nach Australien. Jetzt muss nur noch das Wetter stimmen und
darauf warten wir. |
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