22.05. - 31.05.2004
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Schnell, es eilt! Wir müssen noch Wasser
und Diesel tanken. Gemüse, Früchte, Fleisch und Milchprodukte
einkaufen. Die unendlichen Formulare für den Zoll ausfüllen,
vorkochen und alle schmutzige Wäsche waschen. Ein gutes Wetterfentster
hat sich soeben geöffnet und viele Schiffe sind im Begriff Opua
zu verlassen. Heute Morgen sind wir erst angekommen, doch das spielt
jetzt keine Rolle mehr. Wir müssen so schnell wie möglich
weg von hier! Also beeilen wir uns! |
Halt - Stop - Pause! Das geht uns eine Spur zu
schnell. |
Ja, wir möchten endlich weiter, doch wir
wollen die Sache nicht überstürzen. Das Wetter ist kein
statisches Gebilde und ein neues gutes Fenster wird sich erneut öffnen.
Vor allem wollen wir uns mit den Wetterkarten selber vertraut machen
und nicht nur von anderen Seglern hören, dass jetzt der richtige
Zeitpunkt für den Absprung von New Zealand gekommen sei. |
Folgende Punkte wünscht sich jeder Segler,
wenn er sich am Start einer Passage befindet: |
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Windstärke zwischen 15 bis 20
Knoten |
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Windrichtung 90° zum geplanten Kurs |
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keine riesigen Wellenberge
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Sonnenschein |
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keine Sturmwarnung |
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dass sich die oben genannten Punkte für
die nächsten Tage nicht ändern |
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Und was ist in der Theorie ein gutes Wetterfenster,
um New Zealand zu verlassen? Optimale Bedingungen herrschen, wenn
die letzte Front eines Tiefdruckgebietes über einem hinweg gefegt
ist, sich dieses Tief in den Osten verdrückt und ein dickes,
fettes Hoch über Australien in die Tasman See reicht. Auf der
Vorderseite des Hochdruckgebietes herrschen südliche Winde (wir
befinden uns auf der Südhalbkugel und somit drehen die Winde
um die Drucksysteme anders herum als auf der Nordhalbkugel). Dieses
Hoch sollte sich dann so langsam wie möglich nach Osten bewegen
und mit seinem nördlichen Rand nicht über 30° Süd
reichen. Alles klar? Soweit die Theorie. |
Viele Schiffe verlassen Opua und wir blicken ihnen
wehmütig hinterher, verfolgen ihren Weg auf den Funkrunden und
ärgern uns, dass wir nicht losgezogen sind. Doch die Praxis sieht
dann plötzlich ganz anders aus. Das Wetter lässt sich auch
mit der besten Computersimulation nicht bis auf sieben Tage im Voraus
mit grosser Treffsicherheit berechnen. Das Fenster ist nicht optimal
und schon schiebt sich ein Tiefausläufer aus dem Südmeer
in den Norden und vorbei ist es mit schönen Winden aus der richtigen
Richtung mit maximal 20 Knoten. |
Ein uns bekanntes Schiff kommt in einen Sturm
mit über 50 Knoten Wind genau auf die Nase. Es ist unterwegs
nach Neukaledonien. Schäden am Deck sind das Resultat und die
Crew ist völlig ausgelaugt, als sie am Ziel ankommen. So etwas
brauchen wir bei Leibe nicht. |
Die ganze Sache mit dem Wetter ist ein Balanceakt
der höchsten Güte. Auf der einen Seite sucht man das beste
Fenster und auf der anderen Seite möchte man gerne weiter. Wir
lassen uns auf diesen Hochseilakt ein und warten vorerst ab. Es ist
gut zu wissen, dass wir bei diesem Balanceakt Unterstützung von
Gott haben. Er wird uns die Ruhe geben, bevor wir in See stechen. |
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Die Bay of Island mit Waitangi und Russel ist
die Wiege des modernen Neuseeland, war aber auch Stätte erbitterter
Kämpfe. Waitangi war der Schauplatz des Vertrags zwischen Maori
und Weissen am 6. Februar 1840, der ein friedliches Zusammenleben
sichern sollte. Russel hiess damals noch Kororareka und war verrufen
als Höllenloch im Südpazifik": zu viele rauhe
Walfänger, zu viele leichte Mädchen. Die rauhen Zeiten sind
vorüber, Russel ist ein beschaulicher, reizender Ort geworden.
Die Bucht vor dem kleinen Dorf ist gut zum ankern geeignet und über
das Wochenende wollen wir Russel entdecken. |
Bevor wir den Anker lichten erledigen wir noch
einige unserer Vorbereitungen. Im Bürogebäude der Marina
ist neben den Sanitäranlagen auch ein kleiner Waschsalon untergebracht.
Für drei Dollar können wir unsere schmutzige Wäsche
in kaltem Wasser etwas besser riechend machen. Warum gibt es nur kaltes
Wasser? Beim Spültrog gleich neben den Waschmaschinen kommt doch
kochend heisses Wasser aus dem Wasserhahn. Kurzerhand füllen
wir einen grossen Eimer mit diesem Wasser und kippen ihn in die Maschine
mit unserer Wäsche. Jetzt ist das Wasser warm
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Kurz nachdem wir die Wäsche aus der Maschine
genommen haben, lichten wir den Anker und fahren die kurze Strecke
bis nach Russel. Im grossen Bojenfeld vor dem Dorf suchen wir uns
einen guten Platz. Der Motor läuft noch, als wir schon daran
sind, unsere frische Wäsche an den Spannsets in den Wind zu hängen.
Der Anker hält und Ruhe kehrt ein. |
Es zieht uns an den Strand. Wie könnte es
auch anders sein. Für einmal knirscht nicht der Sand unter dem
Dingi, sondern Kieselsteine. Rötlich braun schimmern und glitzern
die geschliffenen, runden und nassen Steine im Sonnenlicht. Gibt es
auch noch anderes zu entdecken als Steine? Natürlich! Schon nach
kurzer Zeit füllen sich die mitgebrachten Plastiktüten mit
den verschiedensten Muscheln, Seesternen und andren schönen Dingen. |
An der Strandpromenade reiht sich ein schmuckes
Haus an das nächste. Die Zäune sind weiss gestrichen und
die Gärten perfekt aufgeräumt. Ein Dorf wie aus dem Bilderbuch.
Es macht aber nicht den Anschein, dass hier viele Menschen dauerhaft
leben. Russel ist ein Touristendorf, das vor allem im Sommer mit Besuchern
überquillt. Jetzt sind nur wenige Menschen auf den Strassen anzutreffen. |
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Russel bietet noch Anderes, als schmucke Häuser,
Souvenirgeschäfte, Restaurants und Hotels. Es gibt viele schöne
Wanderwege in der näheren Umgebung. Unser Weg führt uns
als Erstes entlang dem Strand aus dem Dorf hinaus. Nun beginnt die
Strasse steil anzusteigen. Immer wieder taucht ein Haus in einem kleinen
grünen Seitental auf oder klebt wie eine Fliege am Hang. Plötzlich
ist die geteerte Strasse zu ende und ein Fusspfad führt weiter
den Berg hinauf. |
Auf dem Gipfel, beim Flaggen-Signal-Mast, bietet
sich uns eine atemberaubende Aussicht. Der Blick reicht über
die ganze Bay of Island. Überall ziehen Motorboote und Segelschiffe
ihre Spuren durch das Wasser. Ein Katamaran segelt unter Spinaker
der Sonne entgegen. Schon nach kurzer Zeit verschwindet er hinter
den Inseln. Wo er wohl hinsegelt? |
Neben dem Flaggenmast finden wir eine riesige
Sonnenuhr. Das Zifferblatt ist ein Mosaik, welches die ganze Bay of
Island darstellt. Wir finden all die Plätze, die wir mit dem
Schiff besucht haben und denken über die Zeit nach, welche die
Sonnenuhr als Schatten langsam über das Mosaik gleiten lässt:
Zeit haben, Zeit nehmen und Zeit geben. |
Unser Fussmarsch war für die kleinen Kinderbeine
eine grosse Herausforderung. Immer wieder hören wir von Anina
und Noemi: Und am Schluss gits dänn es Glace." Und
munter laufen die beiden weiter. Den Berg hinunter gibt es nicht mehr
viel zu tun. Die Beine springen wie von selbst und manchmal wird es
schwierig zu bremsen. Wir kommen an einem üppigen Garten vorbei
und entdecken die von uns in Tauranga gekosteten Tamarillos in freier
Wildbahn. Sie wachsen an Büschen und die roten Früchte leuchten
unter den grünen Blättern hervor. Gleich neben diesen Büschen
entdecken wir eine anderen Busch. Nun, Busch kann man diesen einzelnen
Stilen wohl nicht mehr sagen. Alle Blätter sind von den gefrässigen
Raupen abgefressen worden. Die Raupen sind in allen Stadien an den
Überbleibseln des Busches zu entdecken: Klein und gefrässig,
dick und fett, verpuppt und kurz vor dem Schlüpfen. Einen Falter
können wir leider nicht entdecken. |
Mit knurrenden Mägen kehren wir nach Russel
zurück. Gestern haben wir schon einen Fish and Chips Laden entdeckt.
Wir haben bestellt und sind gerade dabei im Kleidergeschäft nebenan
die Auslage zu betrachten, als eine Frau den Laden betritt. Sie beginnt
irgend etwas zu plaudern. Die Stimme kennen wir doch. Genau, das ist
Gigette von der KIPONA. Wir hatten sie in Opua vergeblich über
Funk aufgerufen. Ihr Schiff liegt dort zwar an einer Boje, doch von
ihnen fehlte jede Spur. Und jetzt sind sie hier in Russel. Was für
ein Zufall. |
Gemeinsam setzen wir uns an einen Picknicktisch
am Strand und verzehren die Fish und Chips. Craig hat sich einen Muschel-Hamburger
ausgesucht. Es soll sich dabei um zerstampfte Muscheln handeln. Er
gibt uns von dem grünen, fritierten Burger zu kosten. Leider
ist die Masse nicht so richtig definierbar und schmeckt irgendwie
nach nichts. Da ziehe ich doch einen richtigen Fisch vor. |
Der Wind bläst kräftig vom Meer her
auf den Strand. Da unser Picknicktisch auch noch im Schatten steht,
bekommen wir langsam kalt. Doch dieser Umstand hält uns nicht
davon ab, eine grosse Schale Glace im nahen Supermarkt zu kaufen.
Nicht nur Kinderaugen leuchten hell auf. Jede und jeder bewaffnet
sich mit einem kleinen Löffel und dann wird geschlemmt. Auch
Sina ist mit ihrem eigenen Löffel mit dabei. |
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Wir verschieben unsere PANGAEA wieder nach Opua
zurück. Wir wollen das Schiff wirklich bereit haben, damit wir
sofort abfahren können, wenn das theoretisch optimale Wetterfenster
sich öffnet. Wir kaufen ein und genehmigen uns eine letzte, warme
Dusche. Für einen Dollar kommt während sechs Minuten warmes
Wasser aus der Brause. Wenn ich daran denke, wie oft und wie lange
ich auf dem Hardstand in Tauranga jeweils unter der Dusche gestanden
habe. Hier würde das ein Vermögen kosten. Nach einem langen,
harten Arbeitstag hätte ich aber auf eine heisse Dusche nicht
gerne verzichtet. |
In der Nacht empfangen wir jeweils die Wetterfaxe
über unser Funkgerät, Funkmodem und Computer. Am Morgen
studieren wir die Karten und versuchen im Gespräch mit anderen
Seglern uns ein Bild von der kommenden Wettersituation zu machen.
Schnell spürt man, wann der richtige Zeitpunkt kommen wird. Jeder
spricht davon, an besagtem Tag zu gehen und man beginnt selber, sich
auf diesen Tag einzurichten. |
Der Tag kommt und man hört noch einmal den
lokalen Wetterbericht ab: Sturmwarnung an allen Küsten von New
Zealand. Ein erneuter Blick in die Wetterkarten verrät, dass
sich alles nicht so entwickelt hat, wie gewünscht. Also warten
wir weiter
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Wir erkunden die nähere Umgebung von Opua.
Mit einem geliehenen Dingi mit Aussenborder brausen wir durch die
Bucht vor Opua, betreten eine winzige Insel und besuchen einen abgelegenen
Strand. Diesen verlassen wir aber fluchtartig wieder, nachdem wir
von duzenden von Stechmücken angefallen werden. |
Zwischen Paihia und Opua gibt es einen schönen
Wanderweg immer der Küste entlang. Wir staunen, dass wir nicht
schon bei unserer Ankunft auf die Idee gekommen sind, diesen Weg zu
erkunden. Das holen wir nun nach. Der Weg ist vom Regen der vergangenen
Tage ganz aufgeweicht, schlammig und entsprechend rutschig. Immer
wieder gibt es eine Rutschpartie und wir sind froh, wenn der Weg nicht
so steil ansteigt und wieder abfällt. Von Bucht zu Bucht schlängelt
sich der Weg durch dichte Vegetation. |
So vergehen die Tage. Wir warten nun schon über
eine Woche auf unser Wetterfenster. Langsam aber sicher werden wir
ungeduldig. Wann ist es endlich so weit? Die letzten Vorbereitungen
für die Einreise in Australien laufen. Wir erstellen Listen mit
unseren Medikamenten und mit allen Lebensmitteln, die wir an Bord
haben. Aus unseren Büchern haben wir herausgelesen, dass wir
bei der Einreise nach Australien noch viel genauer unter die Lupe
genommen werden als hier in New Zealand. Das kann ja heiter werden. |
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Die letzte Front des vorbeiziehenden Tiefs ist
Vergangenheit und das Hoch über Tasman See drückt. Es ist
Zeit aufzubrechen. Morgen früh wird ausklariert. |
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