29.04 - 03.05.2005
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Wir haben uns fest vorgenommen, im Mittelmeer
die Segel zu setzen und den Motor zu stoppen. Gross, Sturmfock und
Genua sind oben und wir setzen Kurs ab
nach Israel. Das ist
nicht die Richtung in die wir wollen. Schweren Herzens starten wir
den Motor wieder, gehen so hart wie möglich an den Wind und nehmen
Kurs auf Zypern. Kreta unser Wunschziel ist bei den herrschenden Wind
und Wellenverhältnissen unerreichbar. |
MeNeVado ist schon weit vor uns und auch HARLEKIN
kommt gut voran. Beide mit Motorenkraft. Wir staunen, wie sie davonziehen. |
Wir gehen so nahe an den Wind, dass die Fock gerade
noch steht und nicht einfällt. Sie hilft ein wenig ziehen. Mit
dem Motor genau gegenan wollen und können wir nicht. Der Wind
ändert ständig Richtung und Stärke. Zurück lässt
er eine unangenehme Kreuzsee. Was ist mit dem im Wetterbericht versprochenen
Westwind? Wir versuchen aufzukreuzen. Ohne grossen Erfolg. Erst gegen
Abend bläst der Wind konstant aus NNW. Das Mittelmeer haben wir
uns anders vorgestellt. |
Die vertraute Funkrunde am Abend gibt Informationen,
wer sich wo befindet. Die HARLEKIN ist 20sm vor uns und hat den Wind
genau von der Seite, kann also die Segel optimal nutzen. Bei uns bläst
er noch immer fast von vorne. Bekommen wir den Wind der HARLEKIN bei
uns auch noch? |
Die Nacht bricht herein. Überall sind die
Navigationslichter von Frachtern zu sehen. Die Nähe vom Suezkanal
ist unverkennbar. Neben der Grossschiffahrt stehen auch noch ein paar
Ölplattformen in der Gegend herum. Unsere ganze Aufmerksamkeit
ist gefragt. |
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Es ist noch dunkel, als ich meine Wache am frühen
Morgen übernehme. Alles scheint in Ordnung zu sein. In der Ferne
sehe ich die Navigationslichter eines Frachters. Er kommt in unsere
Richtung. Plötzlich beginnt die elektrische Selbststeueranlage
zu ächzen und stöhnen. Irgend etwas muss sich im Zahnriemen
verfangen haben. Ich kontrolliere die ganze Anlage, kann aber nichts
finden. Ich schalte das Gerät aus. Was jetzt? In aller Eile hänge
ich die Windfahnensteuerung ein. Hoffentlich kann sie bei dem zur
Zeit schwachen Wind das Schiff steuern. Susan will ich nach so kurzer
Zeit nicht wecken. Sie hat ihren Schlaf verdient. |
Sicher ist der Elektromotor defekt. Ich kann mich
gut an die Handgriffe erinnern, um das Ding auseinander zu nehmen.
Der Motor ist ausgebaut und ich hänge ihn ohne Getriebe an die
Steuereinheit. Der Motor dreht einwandfrei
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Das Getriebe habe ich noch nie demontiert. Einmal
ist das erste Mal. Ich löse die ersten drei Schrauben. Eine ist
festgerostet und bricht ab. Schlechter Start! Trotzdem kann ich den
ersten Teil des Gehäuses öffnen. Drei winzige Zahnräder,
nicht grösser als der Nagel meines kleinen Fingers, kullern mir
entgegen. Noch immer dreht der vordere Teil des Getriebes nicht. Sicherungsstift
lösen. Sechs weitere Miniaturzahnräder kommen mir entgegen.
Insgesamt drei Planetengetriebe sind in dem Gehäuse untergebracht.
In einem der drei Miniaturgetriebe hat sich ein Plastikstreifen um
die Zahnrädchen gewickelt. Dieser Streifen ist verantwortlich
für den Ausfall der Selbststeueranlage. Woher kommt das Plastikding?
Ich vermute, dass es sich um das Gleitlager vom einen Ende des Getriebes
handelt, welches sich aufgelöst hat. Nun, der Apparat wird ohne
dieses Lager auskommen müssen. Eine Stunde nach dem Ausfall und
nachdem uns ein Frachter in nächster Nähe passiert hat,
läuft die elektrische Selbststeueranlage wieder. |
Der Wind frischt auf und dreht auf West! PANGAEA
zieht davon und der Motor schweigt! Wir segeln. Leider hält die
Freude nur für kurze Zeit und nach zwei Stunden schläft
der Wind wieder ein und dreht auf NW. Es ist zum verrückt werden
und frustrierend! Der Abstand zur HARLEKIN wird mit jeder Stunde grösser.
Sie scheint den besseren Moment und Kurs gefunden zu haben. Auf der
Funke berichten sie erneut von gutem Wind
Die MeNeVado erreicht
bereits am Abend Zypern. Dass sie einen guten Motor haben wissen wir.
Uns hilft das wenig, denn wir sind noch duzende Meilen von Zypern
entfernt. |
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Wie soll es weiter gehen? Zypern, Türkei,
oder Griechenland? Die MeNeVado nimmt uns die Entscheidung betreffend
Zypern ab. Dort ist dieses Wochenende orthodoxe Ostern. Einklarieren
kostet 50 Euro Überzeit und für uns als nicht Europäer
wird das ganze mit Sicherheit noch mehr kosten. Kurs Finike in der
Türkei liegt an. Was noch fehlt, wäre Wind aus guter Richtung.
Den ganzen Tag quälen wir uns vorwärts. Die Wellen sind
chaotisch und wir sehnen uns Land herbei. Die Stimmung an Bord ist
gereizt. |
Die Nachtwache ist frustrierend, denn am Horizont
leuchten die Lichter von Paphos auf Zypern. Sollen wir doch dorthin
fahren? Ein Winddreher lässt Hoffnung aufkommen und schnell setzen
wir die Genua. Nach einer halben Stunde geben wir auf, bergen das
Segel und motoren. |
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Die HARLEKIN berichtet von Ihrem Landfall in Finike.
Ihre Weltumsegelung sei hier zu Ende. Ohne Pauken und Trompeten hätten
sie in der Marina festgemacht. Man spürt Wehmut aus der Stimme
von Ingrid. Wie und vor allem wann werden wir ankommen? Unser GPS
zeigt noch 100 Seemeilen bis dorthin. Es ist ein Frust. Ingrid und
Norbert sind nur unwesentlich früher als wir aus dem Suezkanal
ausgefahren und nun sind sie schon 24 Stunden vor uns an Land. Wir
haben einfach die falsche Linie und den falschen Wind erwischt. Hier
im Mittelmeer scheinen die Wind noch viel Lokaler aufzutreten als
im Roten Meer. Oder anders gesagt, die Regel vom Roten Meer gilt nicht
mehr: Du bekommst den Wind, den die anderen Segler weiter im Norden
haben. Eine schmerzliche Erkenntnis. |
Die wild durcheinander laufenden Wellen und der
ständig wechselnde Wind bereiten uns weiterhin Mühe. Auch
einer kleiner Schwalbe scheinen die Windverhältnisse nicht zu
gefallen und sie fliegt ohne Zwischenlandung direkt durch unseren
Niedergang in den Bauch von PANGAEA. Ganz zur Freude unserer Jungmannschaft.
Sofort bereiten Anina und Noemi eine Körbchen vor, polstern es,
statten es mit einem Schälchen Wasser aus und setzen den Vogel
hinein. Dieser ist so erschöpft, dass er die zwei Mädels
gewähren lässt. So schnell sind unsere Kinder an diesem
Abend schon lange nicht mehr im Bett gewesen. Der kleine Gast in seinem
Körbchen steht nämlich in der Bugkoje. Wollen wir ihn nicht
doch fliegen lassen? Ich trage ihn ins Freie und schwupp, fliegt er
zurück in den Bauch von PANGAEA. Er will nicht weg. Doch im Körbchen
will er auch nicht bleiben und so erkundet er das ganze Schiff. Irgendwann
verlieren wir ihn aus den Augen. Die Kinder schlafen bereits, als
ich einen Schatten aus dem Niedergang huschen sehe. Der kleine Gast
hat ausgeruht. |
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Wir haben es fast geschafft. Die Wellen haben
bereits nachgelassen. Wir befinden uns in der Nähe der Küste.
Schnee bedeckte Berge werden sichtbar. Der Wind frischt auf und bläht
unsere Segel. In rauschender Fahrt nähern wir uns Finike. Wie
wenn uns der Wind besänftigen möchte, weht er nun aus einer
idealen Richtung. So könnten wir Stunden, ja sogar tagelang weiter
segeln. Zwei Stunden später fällt der Anker ausserhalb der
Marina von Finike in der Türkei. Unser erster Landfall im Mittelmeer. |
Wir sitzen im Cockpit und geniessen die Aussicht.
"Papi jetzt sind mir di hei in Degersheim" verkündet
Anina. Ich fühle mich beim Anblick der Bergkulisse auf den Thunersee
versetzt. Die Berghänge sind mit dichtem Wald bedeckt. Es ist
eine Wohltat für die Augen, nach Wochen, wenn nicht Monaten Wüstenfarben
wieder saftiges Grün zu sehen. |
Ingrid und Norbert haben uns erwartet und schon
brausen sie mit ihrem Dingi zu unserem Ankerplatz. Die Gemeinschaft
unter den Fahrtenseglern ist etwas einmalig schönes. Sie heissen
uns herzlich willkommen und überreichen uns eine riesige Tüte
mit frischen Lebensmitteln: Apfel, Tomaten, Eier, Orangen, Oliven,
Ofen frisches Brot, Yoghurt
wir kommen aus dem Staunen nicht
mehr heraus und sind sprachlos. Herzlichen Dank für diesen Willkommens
Gruss! |
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