Logbuch SY PANGAEA / Red Sea |
Etappensiege |
18.04 - 23.04.2005 |
Der Motor schiebt, die Segel ziehen. Motorsegeln ist angesagt. Wir nähern uns mit guter Fahrt dem nächsten Flaschenhals, der Einfahrt in den Golf von Suez. An dieser engen Stelle teilen sich die Grossschiffahrt und diverse Ölplattformen eine Durchfahrt von sechs Seemeilen Breite. Wir wollen in dieses verkehrsreiche Gebiet nicht bei Nacht einfahren und ankern kurz vorher in einer grossen Bucht. Der Wind bläst auf das Land zu und der Grund steigt steil an. Keine beruhigenden Parameter, um ruhig schlafen zu können. |
Noch bevor der Tag anbricht, sind wir wieder unterwegs. Der Wind ist eingeschlafen. Überall flackern Lichter. Auf den vielen Ölplattformen wird ausströmendes Gas abgefackelt. Die Dämmerung setzt ein. Rauchschwaden und Nebel ziehen über das spiegelglatte Wasser. Ein riesiger Öltanker taucht im Dunst auf und kommt uns schnell entgegen. |
Die Sicht verschlechtert sich von Minute zu Minute mehr. Nur noch schemenhaft sind die Bohrtürme zu erkennen. Die auftauchenden Grossschiffe sind erst in unmittelbarer Nähe erkennbar. Von ihnen droht aber keine Gefahr, denn wir fahren exakt auf der Grenze des Verkehrstrennungsgebietes, um den grossen Schiffen nicht vor den Bug zu geraten. |
Der Wind nimmt ohne Vorwarnung immer mehr zu. Doch die Windrichtung ist günstig für uns und die ersten fünf Minuten können wir mit unseren Segeln und der Maschine gute Fahrt machen. Dann bilden sich die Wellen und die Geschwindigkeit nimmt rapide ab. Sina wird seekrank und das heisst unmissverständlich: "Papa, ich habe genug. Ich will an einen Ankerplatz!" |
Wir fallen ab, und steuern die nächste schützende Bucht an. Sie liegt zum Glück genau quer ab und schon nach etwas mehr als einer Stunde sind wir dort. Die HARLEKIN liegt bereits vor Anker. Sie sind am Morgen von diesem Ankerplatz aus gestartet und wurden ebenfalls vom starken Wind überrascht. Sie durften 10 Seemeilen zurück segeln und sind entsprechend frustriert. |
Geduld, Geduld, die Windstärke ändert hier so schnell, dass man oft gar nicht nachkommt. Am Nachmittag ist es bereits so weit. Der Wind hat nachgelassen und wir lichten zusammen mit der HARLEKIN den Anker. Wir kommen keine Seemeile weit und schon hat uns der Wind wieder. Die Wellen bremsen zu stark und wir kehren wieder um Zurück am Ankerplatz ist der Wind wieder verschwunden. Will uns der Wind zum Narren halten oder ist diese Ankerbucht einfach zu gut geschützt? Es scheint so. Wir suchen uns einen besseren Windindikator als unseren Windgenerator und entscheiden uns für eine Feuerfackel an Land, die hoch oben an einem Kamin brennt. Wir beschliessen, dass wir erst wieder aufbrechen, wenn diese Feuerfackel für einige Zeit senkrecht in den Himmel zeigt. |
Es dämmert bereits, als wir erneut den Anker lichten. Der Wind ist verschwunden und die Wellen haben sich gelegt. Beste Voraussetzungen für die Fahrt in den Norden - haben wir gedacht. Nach zwei Stunden fängt der Wind wieder an zu blasen und die Wellen türmen sich auf. Acht Seemeilen haben wir geschafft und es hat keinen Zweck mehr: Wir müssen umkehren. |
Der Ankerplatz ist gut beleuchtet, denn an der Nordseite der Buch befindet sich eine Ölraffinerie. Es gibt sogar eine Leitfeuer, welches uns den Weg in die Bucht weist. Wir fahren der Küste entlang und ich warte mit dem Abbiegen, bis sich die beiden Lichter übereinander befinden. Aus reiner Gewohnheit, blicke ich noch auf die andere Seite, aufs offene Wasser hinaus. Ein Schlepper kommt in voller Fahrt auf uns zu. Auch er will in die Bucht einlaufen. Gas geben und auf gleichem Kurs weiter, heisst das für uns. Wir müssen nicht dem Leuchtfeuer nach, in die Bucht einfahren. Drei Stunden nach unserem Aufbruch liegt Anker wieder auf der gleichen Stelle wie vorher auf dem Meeresboden. Diese Nacht braucht mich niemand mehr zu wecken. Ich starte keinen erneuten Versuch! |
Die MeNeVado hat heute Morgen ihren Ankerplatz 20 Seemeilen im Süden von uns verlassen und fährt geschützt durch Riffe in den Norden. Auf der Funke wollen wir wissen, wie es ihnen geht. Vielleicht ist es draussen doch nicht so schlimm und wir können weiter. "Schlimm sind die Wellen. Wir kommen bis zu euch und dann ist Schluss." Alle weiteren Überlegungen und Gedanken erübrigen sich. Schiffstag ist angesagt. |
Unsere Kinder geniessen es und wir Erwachsenen erledigen die eine oder andere Arbeit. Wetterberichte hören, Grib-Files abrufen, Texte und Emails schreiben, Gedanken mit den anderen Seglern austauschen und warten. Die Feuerfackel an Land steht horizontal. |
Um Mitternacht wache ich auf. Es ist unglaublich still. Kein Schaukeln ist von PANGAEA zu spüren. Kein Fall schlägt gegen den Mast. Ich krieche unter der Decke hervor und gucke aus dem Niedergang. Das Wasser ist topfeben und die Feuerfackel zeigt senkrecht zu Sternen hinauf. Ist das nun die angekündigte Flaute? |
Wir vertrauen darauf und lichten zum dritten mal den Anker. Die Lichter der Raffinerie verschwinden. Es bleibt ruhig. Die Positionslichter der Frachtschiffe ziehen schnell an uns vorbei. Zum Teil sind die grossen Schiffe so nahe, dass sich ihre schwarze Silhouette deutlich vom Sternenhimmel abhebt. Die Grossschiffe halten sich in diesem schmalen Wasser exakt an die Verkehrswege, da der Schiffsverkehr enorm ist. Es gibt keinen Moment, wo wir nicht mindestens einen Frachter im Blickfeld haben. |
Im Golf von Suez wimmelt es von Ölplattformen. Die filigranen Gebilde stehen sogar zwischen den beiden Fahrwassern. Wir sind verblüfft, dass die Ölförderung und der Tauchtourismus nebeneinander bestehen können. Es gibt Gebiete, da steht ein Plattform gleich neben dem Riff, wo die Tauchboote festmachen. Ich brachte Ölförderung immer mit schmutzigem und öligem Wasser in Verbindung. Ein Blick über die Reeling belehrt mich eines anderen: Das Wasser ist klar und sauber. Dass die Ölgewinnung trotzdem Einfluss auf die Umwelt hat, merken wir der Luft an. Zum Teil fällt uns das Atmen schwer. Die Abgase des abgefackelten Dämpfe liegt sichtbar in der Luft. |
Wir kommen erstaunlich gut vorwärts und wir sind zuversichtlich, dass wir den nächsten Ankerplatz in 20 Seemeilen Entfernung gar nicht anzulaufen brauchen. Plötzlich bildet sich vor uns auf dem Wasser eine weisse Linie. Windschalter EIN, Windrichtung NNW, Stärke 20 Knoten! Dieses Meer ist und bleibt ein Phänomen. Wir sind hin und her gerissen, ob wir umkehren sollen. Der nächste Ankerplatz im Süden ist 20 Seemeilen entfernt und liegt an der Sinai-Halbinsel. Wir müssten zudem das Verkehrstrennungsgebiet der Grossschiffahrt überqueren. Wir versuchen es gegenan. Unendlich langsam geht es vorwärts. Doch dieses Mal haben wir Glück. Der starke Nordwind dauert nur kurze Zeit an, nimmt extrem in der Stärke ab und dreht dann auf Süd... Der Wind hinterlässt eine konfuse See, doch wir kommen vorwärts. |
Es ist bereits dunkle Nacht, als wir bei der geschützten Bucht ankommen. Die HARLEKIN weist uns mit ihren Positionslampen den Weg und verfolgt unseren Kurs auf dem Radar. Endlich fällt der Anker und wir sinken erschöpft und dankbar in die Kojen. Südwind und wir legen uns schlafen? Ja, denn wir sind schlicht und einfach zu müde. |
Die nächste Etappe unserer Tour de Suez startet in den frühen Morgenstunden. Der Wind hat wieder auf Nord gedreht, hält sich mit der Stärke aber in Grenzen. Wir haben des langen und breiten unsere weitere Route studiert und mit anderen Seglern über die Funke besprochen. Wir haben uns entschieden, auf die Sinai-Seite des Golf von Suez zu wechseln. Dort haben wir mehr Ankermöglichkeiten, als auf der Westseite des Golfes. |
An der engsten Stelle warten wir einen Frachtschiff freien Moment ab. Die Sicht ist aber so schlecht, dass wir nur wenige Seemeilen weit sehen. Die HARLEKIN hilft mit dem Radar und so schlüpfen wir zwischen einem Tanker und einem Containerschiff auf die andere Seite der Seefahrtsstrasse. Da wir die Strasse im Winkel von 90° überqueren, können wir sogar die Segel setzen. In der Mitte der beiden Fahrspuren treffen wir auf ein Fischerboot |
HARLEKIN ist uns schon lange davon gezogen und entschwindet unseren Blicken. "20 Knoten Wind auf die Nase. Wir haben noch vier Seemeilen bis zum nächsten Ankerplatz" tönt es plötzlich aus der Funke. Na, die zwölf Seemeilen bis zu diesem Ankerplatz schaffen wir auch, denn der Wind weht ganz leicht. Denkste. Innerhalb von Minuten sitzen wir mitten in einem Sandsturm. Die Entscheidung ist schnell gefällt: Abfallen und den Ankerplatz gleich neben uns anlaufen. Es wird unheimlich dunkel und die Landschaft verschwindet. Die Luft ist mit Sand angefüllt. Es brennt in Augen und Nase. Den Mund halte ich lieber geschlossen, sonst knirscht es auch noch zwischen den Zähnen. Vor wenigen Tagen haben wir das ganze Schiff gereinigt Sturmwind, wir ankern und bis nach Port Suez sind es noch 25 Seemeilen. |
Unseren Schlaf haben wir schon lange umgestellt. Wir wachen nicht mehr auf, wenn es draussen bläst und stürmt. Dafür schrecken wir auf, wenn es Mäuschen still ist. In dieser Nacht ist das um drei Uhr der Fall. Anker hoch und weiter. Die letzten Seemeilen werden doch heute zu schaffen sein. |
Drei Stunden später kämpft sich PANGAEA bereits wieder durch die aufgewühlte See und trotzt den 20 Knoten Wind von vorne Wir erreichen den Ankerplatz, wo die HARLEKIN die Nacht zugebracht hat. Sie liegt immer noch dort. Distanz bis Port Suez: 10 Seemeilen! |
Will uns der Wind einmal mehr zum Narren halten? Wir sitzen gemütlich im Cockpit und geniessen das Frühstück. Der Wind nimmt spürbar ab und auch die Wellenberge werden kleiner. Die HARLEKIN hält es nicht länger aus und lichtet den Anker. Wir wollen noch einen Moment warten. Zwei Stunden später sind auch wir unterwegs. |
Entlang des Warteraumes für die Frachter suchen wir uns einen Weg ans nördliche Ende des Roten Meeres. Wir queren das Fahrwasser, welches in den Suezkanal führt. Überall sind grosse und kleine Frachtschiffe vor Anker. Wir haben uns entschieden, noch nicht vor den Suez Yacht Club zu fahren, da wir die Prozedur mit den Kanalbehörden noch nicht in Angriff nehmen wollen. Ausserhalb des Kanals, suchen wir uns einen Ankerplatz. Der Wind hat erneut zugelegt und in der Luft liegt ein eigentümlicher Geruch, als wir vor einem Chemiewerk und einer Raffinerie den Anker setzen. Endlich haben wir es geschafft. WIR SIND IN PORT SUEZ! |
© Susan & Christoph Manhart, SY PANGAEA |