Logbuch SY PANGAEA / North New Zealand
 
Hardstand

20.01. - 10.05.2004

 
Wir haben uns entschieden. PANGAEA kommt für eine gründliche Überholung aus dem Wasser. In einem Marina-Prospekt von New Zealand lesen wir, dass die Sulphur Point Marina immer ausgebucht sei und keine Gastplätze biete. Als Alternative bietet sich die Bridge Marina an.
Der Hardstand dieser Marina behagt mir aber nicht besonders. Der Trockenplatz liegt direkt neben der viel befahrenen Hauptverkehrsachse zwischen Tauranga und Mt Maunganui. Alle Lastwagen, die vom kommerziellen Hafen wegfahren oder dorthin wollen, fahren hier vorbei. Der Weg nach Tauranga würde jedesmal über die Harbour Bridge und wieder zurück führen. Ein gefährlicher Platz also.
Soll ich es doch in der Sulphur Point Marina versuchen? Fragen und einen Blick auf den Hardstand werfen kostet ja nichts. Im Marina Office trage ich meinen Wunsch nach einem Platz auf dem Trockenen vor. „No problem", sagt der Marina Manager Bob und will wissen, wie gross PANGAEA ist und für wie lange wir auf dem Trockenen sein wollen. Das habe ich nicht erwartet aber im geheimen gewünscht. Der Trockenplatz liegt nämlich etwas abseits und für den Weg ins Stadtzentrum müssen wir nicht über die gefürchtete Hafenbrücke. Der Platz ist gebucht. Bob erklärt mir, dass ein Platz im Wasser nicht zu haben sei, aber ein Trockenplatz zu dieser Jahreszeit fast immer. Bevor die Segelsaison im November beginnt, ist aber auch dieser Hardstand bis auf den letzten Platz belegt.
 
Alles ist vorbereitet und der Zeitpunkt für das Auswassern rückt näher. Am Morgen wollen wir bereits einen der zwei Anker einholen, damit wir am Nachmittag nur noch den Hauptanker heben müssen. Ich starte den Motor. Die Startmaschine dreht kräftig durch, doch unser Diesel läuft nicht an. Was ist jetzt schon wieder defekt? Immer wieder versuche ich das Ding zu starten. Endlich zündet der Treibstoff in den Zylindern. Dicker, schwarzer Rauch quillt aus dem Auspuff, aber der Motor läuft. Nach kurzer Zeit raucht er nicht mehr und schnurrt wie gewöhnlich vor sich hin. Setzen wir den Motor also auch auf die Arbeitsliste.
Gemütlich tuckern wir zur Marina. Neben der Auswasserungsstelle ist ein kleiner Steg, an dem wir festmachen wollen. Susan steht mit den Leinen auf dem Vorschiff bereit. „Kann ich Euch die Leinen abnehmen?" tönt es uns in reinstem Deutsch entgegen. Völlig verwundert und überrascht gibt Susan die Leinen ab. Was für eine Begrüssung.
Wir machen uns bereit für das Auswassern. Bevor wir unter den Travelerlift fahren, müssen wir das Vorstag des Hauptmast lösen, da dieses sonst in den Weg kommt. Dann manövrieren wir das Schiff in eine schmale Box. Über uns steht der riesige, blaue Travelerlift mit seinen zwei starken Gurten. Wo denn die Opferanoden am Rumpf seinen, will der Travelerliftoperator wissen. Gute Frage, das wissen wir auch nicht so genau. Wo sind Taucherbrille und Schnorchel? Brrrr…, das hätte nicht sein müssen.
Ganz langsam hebt sich PANGAEA aus dem Wasser. Das Unterwasserschiff ist mit einer dicken Schicht schleimiger Algen und kleinen Muscheln bedeckt. Dieser Schlick muss weg. Mit einem kräftigen Hochdruckreiniger spritze ich das Schiff ab. Der erste Wasserstoss wirft mich fast um. Das Ding ist um etliches kräftiger, als ich gedacht habe. Nach drei viertel Stunden weiss ich nicht mehr, wie ich das Druckrohr halten soll.
Endlich ist der Rumpf sauber und ich dreckig und nass. Noch habe ich nicht genug Wasser mit tauchen und abspritzen abbekommen, jetzt beginnt es auch noch aus allen Kübeln zu giessen. Langsam fährt PANGAEA über den Platz. Ein komischer, ungewohnter Anblick. Ganz ans Ende des Hardstand, direkt an den Zaun kommt unser Schiff. Und dann steht sie da in ihrem eisernen Gestell.
Nass bis auf die Haut friere ich gewaltig. Ich verdrücke mich unter die heisse Dusche. Welch eine Wohltat.
 
PANGAEA steht auf dem Trockenen und die Arbeit kann beginnen. Unsere Arbeitsliste ist lang:
- Ankerkasten malen
- Brett bei Anker anbringen
- Netz bei Reeling ersetzen
- Windselbststeueranlage revidieren
- Rumpf innen entrosten/malen
- Sonnenverdeck neu machen
- neue Dichtungen für Salonluken
- Kompassbeleuchtung erneuern
- Zahnriemen elek. Selbststeueranlage ersetzen
- Rigg kontrollieren
- Wanten nachziehen
- Masten ausrichten
- Saling kontrollieren
- Spibäume überholen
- Vorfall-Enden erneuern
- Beiboot revidieren
- Sonnenverdeck Gross-Segel nachnähen
- Vorschot-Traveler reinigen und schmieren
- Unterwasserschiff abschleifen/malen
- Opferanoden erneuern
- Motor-Einspritzdüsen und Einspritzpumpe revidieren
- Sicherungskasten beim Motor ersetzen
- Motorraum-Lüfter überprüfen
- Winchen kontrollieren, reinigen, fetten
- Fall-Umlenkrollen ersetzen
- Mastmittenbefestigung reparieren
- VHF-Antenne montieren
- Kabeldurchgänge ersetzen
- Holz im Freien reinigen, ölen
- Bugkoje malen
- Entrümpeln
- Schiff reinigen
- Kabel im Salon verkleiden
- 6V Batterien kontrollieren und evtl. ersetzen
- Salonbrüstung lackieren
- Pantry neu malen
- Kühlschrank überholen
- Watermaker reparieren lassen
- Pantryspüle abdichten
- WC-Pumpe flicken
- Decke malen
- EPIRB umprogrammieren, Antenne reparieren
- Seeventile überprüfen
- Automatikauslöser Schwimmwesten überprüfen
- Segel flicken
- Baypass in Steuerung einsetzen
- Decksluken abdichten
- Dichtungen Steuerungszylinder ersetzen
 
Mit welcher Arbeit sollen wir beginnen? Ich entscheide mich für die Kontrolle des Riggs. Mehrere Tage lang steige ich duzende Male auf den Mast und wieder hinunter. Jedes einzelne Drahtseil wird ausgehängt und mit Händen und Augen der ganzen Länge nach überprüft. Ich finde einige Stellen, wo eine einzelne Litze des Drahtes angebrochen oder ganz gebrochen ist. Ein solches Drahtseil wird ersetzt. So kommt es, dass übers Wochenende der Mast nur von den Unterwanten gehalten wird. Ein komisches Gefühl habe ich schon dabei. Und wenn jetzt ein Sturm über den Hardstand fegt? Fällt dann der Mast?
 
Das Leben auf dem Hardstand ist eine gewaltige Umstellung für uns und die Kinder. Es ist kein Wasser mehr um das Schiff herum. Ein Sturz über die Reeling würde drei Meter tiefer auf dem Asphalt enden. Überall ist es schmutzig und die überall herumliegenden Farb- und Staubüberreste sind nicht unbedingt Gesundheitsfördernd.
Wir brauchen ein paar Tage, bis sich unser Alltag umgestellt hat. Das Ein- und Aussteigen aus dem Schiff ist nur über eine drei Meter hohe Leiter möglich. Unsere Kinder haben den Bogen schon bald raus und wollen die Leiter alleine erklimmen. Doch unsere Regel besagt, dass sie nie alleine die Leiter rauf oder runter dürfen. Immer muss entweder Mama oder Papa dabei sein. Besonders auf Sina müssen wir acht geben. Sie steht noch nicht so sicher auf ihren eigenen Füssen und das Gehen bereitet ihr noch Mühe. Doch das Erklimmen der Leiter schafft sie schon mit Leichtigkeit. Wehe, wenn wir Hand anlegen wollen. Das Resultat ist ein riesiges Geschrei.
Auch sonst haben wir strikte Regeln für Anina, Noemi und Sina aufgestellt. Sie dürfen nie alleine an Deck und unter dem Schiff wird nur gespielt, wenn an den Nachbarschiffen weder geschliffen noch gesprayt wird.
An Bord sind wir mit dem alltäglichen Leben auch eingeschränkt. Kochen ist durchaus möglich. Doch das Spülen vom Geschirr funktioniert nicht mehr. Das schmutzige Wasser würde nämlich einfach auf den Platz laufen. Also müssen wir alles schmutzige Geschirr in Behältern zum Sanitärhäuschen bringen und dort reinigen. Zum Glück haben wir den Veloanhänger, so ist der Transport nicht so anstrengend.
Meistens bleibt es nicht nur beim Geschirrwaschen. Die warmen Duschen verlocken die Kinder dazu, sich selbst auch zu waschen. Der grosse schwarze Bottich oder ein anderer Plastikbehälter dient als Badewanne und von oben rauscht das heisse Wasser aus der Brause. Ein breites Lächeln huscht über jedes Gesicht, welches unsere Kinder in ihren Wannen sieht.
Wasser zum trinken und kochen besorgen wir uns in leeren Pet-Flaschen. Da wir den Wasserhahn vom Süsswasser abmontiert haben, können wir den Inhalt vom Wassertank nicht mehr nutzen. Da kein Salzwasser um uns ist, können wir auch unsere Toilette an Bord nicht benutzen. Kindertopf und Kessel sind angesagt.
Der Überfluss an heissem Wasser im Sanitärgebäude hat natürlich auch seine Vorteile. Das lästige Wasserkochen zum Abwaschen entfällt und die schmutzigen Windeln von Sina können wir nun direkt mit heissem Süsswasser auswaschen und nicht als erstes im Salzwasser. Zum Trocknen hängen wir die Windeln dann an die Seereeling. War das eine gute Idee? Einen kurzen Moment geben wir nicht acht, woher der Wind bläst und welche Arbeit unser Nachbar macht. Und schon sind alle Windeln und Kleidungsstücke an der Reeling schmutziger als vorher… Wie sollen wir da vernünftig waschen? June und Sig offerieren uns, ihre Waschmaschine und ihren Trocknungsständer zu gebrauchen. Dieses Angebot nehmen wir gerne an. Sig holt Susan und die Kinder sogar mit dem Auto ab! Für die Kinder eine schöne Abwechslung vom Alltag auf dem Schiff. Für mich sind solche Tage die Gelegenheit Arbeiten am Schiff auszuführen, wo es besser ist, wenn niemand da ist, wie zum Beispiel das Malen im Innern des Rumpfes. Nur mit meiner Atemschutzmaske und speziellen Filtern ist diese Arbeit erträglich.
June und Sig tauchen immer mal wieder bei uns auf dem Hardstand auf. Sie überraschen uns mit neu angekommener Post oder bringen uns feine Früchte und Gemüse aus ihrem Garten. An einem Tag sind es Tomaten, ein andermal Zitronen von ihrem grossen Zitronenbusch. Natürlich wollen sie auch wissen, wie wir mit unserer Arbeit vorwärts kommen. Es ist jedesmal eine willkommene Unterbrechung unseres strengen Alltags.
 
Die Arbeit nimmt kein Ende. Lange schiebe ich den grössten Brocken vor mir her: Das Abschleifen und neu Malen des Unterwasserschiffes. Doch irgendwann komme ich nicht mehr darum herum. Ausgerüstet mit Atemschutzmaske, Gehörschutz, Overall und Schutzbrille schleife ich das gesamte Unterwasserschiff vom Bug bis zum Heck ab. An gewissen Stellen muss ich bis auf das blanke Metall schleifen, an den meisten Orten genügt es aber, das alte Antifouling weg zu schleifen. Ich bin froh, haben wir kein längeres Schiff als die PANGAEA. Bei dieser Knochenarbeit merke ich jeden Meter.
Eine Seite des Schiffes ist abgeschliffen, die nächste ist an der Reihe. Mit dem Schwingschleifer beginnt die Arbeit wieder am Bug. An einer Stelle muss ich wohl wieder bis aufs Metall, da die Farbe abblättert. Ich fahre gröberes Gerät auf und schleife mit dem Winkelschleifer die Farbe weg. Was ist denn das? Das sieht ja wie ein Loch aus! In der Tat, ganz vorne am Bug, unterhalb der Wasserlinie schaut mich ein Loch in der Grösse eines Zweifrankenstückes an. Wir haben doch überall im Schiff Zugang zum Rumpf. Wie kommt es, dass hier die Hülle durchgerostet ist? Mit einem langen, dünnen Stab steche ich von aussen in das Loch und suche darauf im Innern die Durchbruchstelle. Natürlich: Ganz vorne in der Bugkoje gibt es eine Stelle am Rumpf, die von den Voreignern mit Isolierschaum aufgefüllt wurde. Dieser Raum ist hermetisch abgeschlossen und Kondenswasser konnte nirgends ablaufen. Also begann es zu rosten… Nur gut, haben wir ein Stahlschiff. Das Loch wird einfach mit der Trennscheibe um einiges vergrössert und eine neues Stück Blech eingepasst und eingeschweisst. Im gleichen Atemzug entfernen wir auch gleich die zwei überflüssigen Kettenrohre zwischen Deck und Seitenwand. Diese haben nämlich immer gerostet und waren unmöglich zum malen. Diese „kleine" Aktion, die hier so schnell beschrieben ist, beschäftigt mich über eine Woche!
Die Arbeiten im Freien sind natürlich auch vom Wetter abhängig. Und genau das macht uns einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Der sonst trockene, warme und schöne Sommer von New Zealand bleibt aus. An den meisten Tagen im Februar regnet es und es ist kalt. Immer wenn die Sonne scheint oder es nicht regnet, arbeite ich aussen am Schiff.
Susan übernimmt das Zepter im Innern. Hier wird aus-, um- und eingeräumt, aussortiert, gereinigt, entrostet, gemalt, ausgebessert, gekocht, und, und, und dann sind da noch drei Kinder die wir auch nicht vergessen dürfen.
Wir staunen ab Anina, Noemi und Sina. Unsere anfänglichen Bedenken wegen dem Leben und Arbeiten auf dem Hardstand sind verflogen. Unsere Kleinen helfen tatkräftig mit, wenn sie nicht gerade dabei sind, mit ihren Babys zu spielen. Vor allem der Abwasch oder besser gesagt das Abtrocknen ist ihr Ressort, wobei Sina am liebsten aus dem Wasser heraus mit hilft…
Sina ist die geborene Nachahmerin. Geben wir einen kurzen Moment nicht auf sie acht, entrostet sie mit einem von uns achtlos liegengelassenen Spachtel die frisch gestrichenen Metallprofile in der Pantry. Auch gutes Zureden nützt da nichts. Sie will doch nur helfen!
Oft dröhnt es im Schiff unerträglich, wenn ich aussen am schleifen bin und Susan innen am rostklopfen ist. Und natürlich sind die rostigen Stellen im Innern des Rumpfes an den unmöglichsten Orten. Zuhinterst, hinter dem letzten Metallbalken links, ist noch eine Stelle rostig. Wäre man doch eine Maus! Alle Bodenbretter sind über der Bilge entfernt. Wo nur sollen wir noch stehen? Und wie um alles in der Welt schafft es Susan bei diesem scheinbaren Durcheinander und ohne richtigen Boden immer wieder ein feines Essen auf den Tisch zu stellen? Ich staune nur und bin dankbar und froh, dass ich nach meiner Arbeit einfach an den Tisch sitzen und ein feines Essen geniessen darf.
Am Abend sinken wir oft erschöpft und müde in unsere Kojen. Wir wissen nach einem solchen Tag sehr genau, wie viele Knochen und Muskeln unser Körper hat, denn wir spüren jede einzelne Stelle!
 
Arbeit, Arbeit und nochmals Arbeit. Sieben Tage in der Woche arbeiten wir aber nicht. Wir haben uns entschieden, an sechs Tagen zu arbeiten und am siebten Tag auszuruhen. Und wir geniessen es, am Sonntag einfach alles stehen und liegen zu lassen. Wir ziehen nicht unsere Arbeitsklamotten, sondern unsere schönen Sonntagskleider an, packen etwas für das Mittagessen ein und schwingen uns auf die Fahrräder. Anina und Noemi sitzen im Leggero und Sina kuschelt sich auf den Rücken von Susan ins Tragtuch. Es ist meistens noch recht frisch, wenn wir aus dem Hardstand abfahren. Unser Ziel ist die Faithway Gemeinde mit ihrem sonntäglichen Gottesdienst.
Wir schätzen die Gemeinschaft, die wir dort erleben dürfen und die Zeit im Lobpreis und Gebet. Für die Kinder gibt es ein Kinderprogramm und es ist interessant zu sehen, wie in dieser Gemeinde mit den Kinder gearbeitet wird und wie der Gottesdienst gestaltet wird.
Im Anschluss an den Gottesdienst gibt es immer Gelegenheit bei einem Kaffee oder Tee mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Die meisten staunen ab unserer Reise und sind natürlich neugierig, wie wir das Leben auf dem Schiff gestalten und meistern.
Wir lernen in der Gemeinde auch ein älteres Ehepaar kennen, das ein kleines Segelschiff besitzt, welches in der Sulphur Point Marina im Wasser liegt. Sie versprechen uns, einmal bei uns vorbei zu schauen.
Nach dem Gottesdienst suchen wir uns ein schönes Plätzchen für das Mittagessen. Meistens ist das auf einem Kinderspielplatz, wo schon nach kurzer Zeit unsere Kleinen verschwunden sind. Es tut wohl, auf diese Weise wieder neue Kraft für die nächste Arbeitswoche zu schöpfen und den Kindern diese Abwechslung zu schenken.
 
Die Zeit vergeht viel zu schnell und sehr oft habe ich den Eindruck, dass wir mit den Arbeiten einfach nicht vom Fleck kommen. Um unser Schiff herum wechseln immer wieder die Nachbarn. Von der riesigen Rennyacht über das gigantische Motorboot bis zum einfachen, kleinen Fischerboot ist alles zu finden. Manchmal schauen wir von unserem Deck auf das Nachbarschiff und manchmal müssen wir den Kopf heben, um auf das benachbarte Deck blicken zu können.
 
Die meisten Schiffe auf dem Hardstand sind lokale Schiffe. Nur wenige Fahrtensegler sind zu finden. Drei Deutsche, zwei Französische, ein Amerikanisches, ein Polnisches und unser Schiff. Tauranga gilt als Geheimtip wie wir von Elke und Werner erfahren, die seit zehn Jahren immer wieder hierher kommen. Die Preise sind etwa halb so hoch wie in Whangarei, wo die meisten Fahrtensegler hinfahren. Der Vorteil in Tauranga ist auch, dass alle Schiffsausrüster, Segel- und Riggmacher, Werkstätten und sonstige Geschäfte nahe bei der Marina liegen. Vor allem für uns ohne Fahrzeug ist das ein grosses Plus. Alle sind fleissig am Arbeiten und helfen sich gegenseitig mit Werkzeugen, Tipps und Händen aus. Ich bin dankbar dafür, dass ich immer mal wieder Werner, einen alten Hasen, fragen kann, wenn ich nicht mehr weiter weiss.
Die Arbeit am Rumpf ist schmutzig und anstrengend. Den Farbstaub bläst es einfach mit dem Wind davon oder bleibt am Boden liegen. Spritzen wir dann unseren Platz unter und um das Schiff ab, fliesst die ganze Brühe über den Hardstand in einen Sammelschacht. Von dort wird das mit Antifouling verschmutze Wasser einfach ins Meer geleitet. Wo bleibt da der Umweltschutz? Wir dachten immer, dass New Zealand ein grünes Land sei. Wir müssen schmerzhaft erkennen, dass das Grün hauptsächlich auf die Landschaft zutrifft, aber nicht auf das Umweltbewusstsein der Kiwis.
Dass die auf dem Hardstand herumliegenden Substanzen nicht gesund sind, müssen wir am eigenen Leib erfahren. Als erstes erwischt es Sina. Sie hat eine Magenverstimmung der gröberen Art. Nichts, absolut nichts kann sie bei sich behalten. Nach und nach geht es allen schlecht. Um Sina machen wir uns die grössten Sorgen und suchen darum einen Arzt auf. Das sei hier eine übliche Erkrankung, meint er, und verschreibt eine 24 Stunden Nulldiät. Nur Sodawasser dürfen wir trinken, sonst gar nichts. Nach einem Tag ohne Essen, beginnen wir wieder mit ganz leichten Sachen und päppeln uns langsam wieder auf. Endlich ist es ausgestanden. Das ungute Gefühl bleibt aber, wenn unsere Kinder auf dem Platz um das Schiff spielen.
Immer wieder werden wir gefragt, wann wir denn wieder im Wasser seien. Anfänglich gaben wir noch ein ungefähres Datum an, doch mit der Zeit haben wir damit aufgehört. Zu ungewiss ist das Wetter und auch der Fortschritt unserer Arbeit. Sicher, wir können immer wieder einen Punkt auf unserer langen Liste abstreichen, doch all die unvorhergesehenen Arbeiten sind dort nicht aufgeführt:
- Kühlschrank leckt und muss repariert werden
- Kerosinofen steigt aus und muss gereinigt werden
- Löcher im Rumpf
- Toilette geht zu Bruch, als wir sie wieder montieren
- usw..
Haben denn die Arbeiten wirklich nie ein Ende?
Klopf, Klopf. Jemand pocht an den Rumpf unseres Schiffes. Wer kann das sein? Ein Blick aus dem Cockpit auf den Hardstand verrät es uns: Chris und Sue, die Faithway Mitglieder mit dem Segelschiff, stehen unten. Sie haben soeben ihr Schiff aus dem Wasser genommen und es steht keine zwei Plätze neben uns. Sie bereiten ihr Schiff für eine Tour durch die Inselwelt von Fiji, Vanuatu und Neukaledonien vor.
Für heute Abend wollen sie uns aber der Arbeit entreissen und laden uns zu sich nach Hause zum Abendessen ein. Wird das nicht zu viel für unsere Kinder? Sonst sind sie doch immer so früh im Bett. Wir wagen es und sind gespannt darauf.
Wir dürfen an einem gediegen gedeckten Tisch Platz nehmen und werden einfach verwöhnt. Sue hat ein traditionelles New Zealand Abendessen vorbereitet mit Bratkartoffeln, Süsskartoffeln, Bratkürbis, Lammfleisch, Salat, und, und, und. Wir und auch die Kinder geniessen den schönen Abend sehr.
In den folgenden Tagen taucht Chris immer mal wieder bei PANGAEA auf und fragt uns, ob wir etwas brauchen, ob wir einen Transport in die Stadt benötigen oder er will einfach wissen, wie es uns geht. Er hilft uns bei der Suche und beim Einkauf von Kerosin und Brennsprit und fährt uns zum Einkaufen. Wir hätten das natürlich alles auch mit dem Leggero machen können, der Zeitaufwand wäre aber um einiges grösser gewesen. Wir sind sehr froh ab dieser Hilfe und freuen uns natürlich auch ab der Aufmerksamkeit von Sue und Chris.
Endlich ist die schmutzige Arbeit mit dem Schleifen zu Ende und wir können mit der schöneren Arbeit, dem Malen beginnen. Schöner ist sie ja, aber nicht weniger anstrengend. Zwölf Meter Länge und vier Meter Breite ist eine beachtliche Fläche zum Malen, besonders wenn sie über Kopf ist. Mit schweren Armen endet der erste Anstrich. Jetzt sieht unser Schiff wie ein Dalmatiner aus. Sollen wir sie nicht so belassen?
Wieder einmal pocht es unverkennbar an unser Schiff. Chris ist bereits die Leiter hochgestiegen und hält einen grossen Karton mit Lebensmitteln auf den Armen. Er stellt ihn an Deck und verschwindet sogleich wieder. Sehr verwundert schaue ich ihn an, als er erneut mit einer Schachtel an Deck erscheint. „Don't say any word" ist sein einziger Kommentar. Wir werden mit einem riesigen Paket Lebensmitteln verwöhnt. Wie haben wir das verdient? Er habe aufs Herz bekommen, dass er uns so eine Freude machen solle… Wir sind sprachlos.
 
Neben all den Arbeiten am Schiff pflegen wir auch die Kontakte auf dem Hardstand zu den anderen Fahrtenseglern. Ein schöner, sonniger Tag verlockt mal dazu eine Pause einzulegen und ein Glace-Plausch zu veranstalten. Im Nu ist eine ganze Gruppe zusammen und ein grosser Kübel Glace geleert. Nach einer solchen Pause wieder den Farbroller in die Hand nehmen? Ach nein, lieber nicht.
Manchmal müssen wir natürlich auch unsere Vorräte wieder aufstocken. Arbeiten macht hungrig und die Lebensmittel schwinden schnell an Bord. Bei uns bedeutet einkaufen einen halbtätigen Ausflug mit Fahrrädern und Anhänger unternehmen. Diese andere Bewegung tut aber sehr gut.
Vollbepackt geht es dann jeweils wieder zurück. Wie wäre es mit Fish and Chips heute zum z'Nacht? Eigentlich habe ich Susan gefragt, doch die Kinder antworten für sie: Oh Jaaaa! Der Fischmarkt liegt auf dem Heimweg und die Zeit stimmt auch. Also genehmigen wir uns dieses Abendessen. Morgen kann ich das viele Fett ja wieder bei der Arbeit verbrennen. Denn Arbeit hat es noch mehr als genug. Packen wir's an!
 
© Susan & Christoph Manhart, SY PANGAEA