Logbuch SY PANGAEA / Indian Ocean
 
Seebeben

26.12.2004

 
Herr, Deine Güte ist unvorstellbar weit wie der Himmel, und deine Treue reicht so weit, wie die Wolken ziehen. (Psalm 36,6)
 
Es ist Vormittag. Immer wieder fegt eine starke Windböe über das Atoll. Plötzlich beginnt PANGAEA wie wild an ihrem Ankerplatz zu bocken. Wie ein wild gewordenes Pferd zerrt sie an der Mooringleine. Ein Blick vom Cockpit zum Riff lässt mich erschaudern. Eine weisse Linie bewegt sich in unsere Richtung, hat bereits das Aussenriff passiert. Eine Welle in diesem Ausmass habe ich bisher noch keine gesehen. Wird unsere Mooringleine eine genügende Länge aufweisen? Die Welle rollt auf uns zu und scheint den gesamten Sand des Aussenriffes mit sich zu nehmen. Am Strand werden die Steine sichtbar und im nächsten Moment ist der ganze Strand bis zu den Büschen überflutet. PANGAEA schaukelt wie wild. In den nächsten Minuten rollt immer wieder eine dieser Wellen über das Riff in die Lagune. Wie gross wird die nächste Welle sein? Der aufgewühlte Sand verändert die Farbe des Wassers in der Lagune. Rund um unser Schiff und bis tief in die Lagune hinein ist das beängstigende und ebenso faszinierende Farbenspiel zu sehen. Nach endlos scheinenden Minuten wird es ruhiger. Nur der Wind heult in den Wanten. Was um alles in der Welt war das?
Christoph ist nicht an Bord. Er ist an Land, schaut der Wäsche und verbrennt Abfall. Als er endlich zurück an Bord ist, hat er nichts von allem mitbekommen. Ich bin froh, ist er zurück. Er taucht zu unserem Korallenblock hinunter um zu sehen, ob alles in Ordnung ist. Die Sicht sei gleich Null. Der aufgewühlte Sand nimmt jede Sicht.
Humpfrey von der BRUMBY rauscht am frühen Nachmittag zu uns herüber und fragt uns, ob wir die Nachrichten auf BBC gehört hätten: Starkes Seebeben vor der indonesischen Küste. Der Flughafen von Male (Malediven) überflutet und geschlossen. Mehrere tausend Tote. Stärkstes Seebeben seit 40 Jahren... Jetzt ist alles klar. Was wir vor ein paar Stunden erlebt haben, war die Flutwelle dieses Seebebens. Was abbekommen haben war zwar harmlos, zehrt aber extrem an den Nerven.
Uns geht es gut. Wir legen die kommenden Stunden und Tage in Gottes Hände.
 
© Susan & Christoph Manhart, SY PANGAEA