Logbuch SY PANGAEA / Indian Ocean
 
Frischprodukte

28.10. - 30.12.2004

 
Die nächste Einkaufsgelegenheit liegt 300 Seemeilen von uns entfernt. Viel zu weit also, um mal schnell ein paar Äpfel oder ein wenig Gemüse einzukaufen. Wir sind voll und ganz auf unsere Vorräte angewiesen und auf das, was uns die Natur zu bieten hat. Wie wäre es mit folgenden Menüvorschlägen aus dem Buch „Die Bordküche - Lieblingsgerichte der Weltumsegler" von Carla Schenk?
 
Clam Chowder (Gericht aus Mördermuscheln)
 
1 Pfund klein geschnittene Mördermuscheln
2 grosse, in Würfel geschnittene Zwiebeln
2 klein geschnittene Tomaten
etwas Öl, Salz, Pfeffer und Milch
 
Mördermuscheln schenkt uns die Natur, man braucht sie nur vom Meeresboden heraufzutauchen. Es ist bedeutend einfacher, zwei kleinere Exemplare zu nehmen als eine grosse. Man lässt die Muscheln einige Minuten im Cockpit liegen, und sobald sich die beiden Schalen geöffnet haben, steckt man blitzschnell einen geeigneten Gegenstand in die Öffnung, um das Schliessen zu verhindern…
 
oder wie wäre es mit:
 
Seaweed on Toast
 
Man ernte frisches, grünes Seegras vom Bootsrumpf an Stellen, die kein Antifouling mehr haben. Es wird wie Schnittlauch abgeschnitten, dann in Frischwasser gut gewaschen und klein geschnitten. Man serviert es auf heissem gebutterten Toast, gibt einige, klein geschnittene Zwiebeln darüber und beträufelt es mit Limonensaft.
 
En Guete…
 
ALLES was die Natur zu bieten hat? Ganz alles können wir uns nicht vorstellen. Die Mördermuscheln zum Beispiel belassen wir lieber auf dem Meeresgrund. Seegras können wir an unserem Schiff nicht ernten, da das Antifouling noch zu neu ist und kein Seegras wachsen konnte. Also schauen wir uns im Atoll um, was die Natur zu bieten hat. Bereits auf der Île Boddam treffen wir auf die unterschiedlichsten Bäume und damit verschiedenartigsten Früchte.
 
Kokosnuss (Cocos nucifera):
Allgegenwärtig ist natürlich die Kokospalme. Die Nuss ist Lieferant von wichtigen Nährstoffen und Vitaminen. Die noch unreifen, grünen Kokosnüsse an den Bäumen sind die besten Trinknüsse. Sie enthalten sehr viel Kokoswasser, welches herrlich erfrischend zu trinken ist. Bevor das Getränk aber geschlürft werden kann, ist Knochenarbeit angesagt. Das Schütteln der Palme nützt leider nichts, um die Nüsse zu ernten. Zu fest sind die Nüsse in der Palmkrone angewachsen. Entweder bedient man sich eines langen Steckens, an dessen Ende ein Messer festgebunden ist, oder man klettert auf die Palme. Kein leichtes Unterfangen, vor allem darf man keinen Blick in die Tiefe wagen. Die Nüsse sind wie Johannisbeeren zu einem Struppel von sechs bis zehn Nüssen zusammengefasst. Am einfachsten ist das Lösen eines solchen Struppels mit der Machete. Ein gezielter Schlag und die Nüsse stürzen laut polternd in die Tiefe. Das hinunter klettern von der Palme ist eine anderes Kapitel…
Ebenfalls mit der Machete wird der Kokosnuss nun die fasrige Hülle am spitzigen Ende abgeschlagen, bis die eigentliche, weisse Nuss zum Vorschein kommt. Ein letzter gezielter Schlag mit dem grossen Messer und ein kleines Loch klafft in der Nuss. Prost!
Von der dünnen Schicht Fruchtfleisch der Trinknüsse lässt sich eine leckere Konfitüre herstellen.
Das Ernten der Essnüsse ist um einiges einfacher, denn diese braucht man nur vom Boden aufzuheben. Sobald eine Kokosnuss reif ist, fällt die ursprüngliche Trinknuss von alleine zu Boden. Die Fruchtfleischschicht ist jetzt viel dicker, dafür hat es weniger Kokoswasser in der Nuss. Wie weiss man, ob die Kokosnuss noch gut ist? Ganz einfach: Man hebt sie vom Boden auf und schüttelt sie. Ist Kokoswasser in der Nuss, ist sie mit grosser Wahrscheinlichkeit gut zum Essen. Eine trockene Nuss hat schon zu lange am Boden gelegen.
Einmal mehr ist harte Arbeit angesagt, bevor man das Kokosfleisch geniessen kann. Die fasrige Hülle muss zuerst weg. Am einfachsten geht das an einem im Boden fest verankerten Metallstab. Beim Maincamp ist ein solcher zu finden. Mit etwas Übung braucht es vier gezielte Treffer an der Metallspitze, dann hält man die eigentliche Nuss in Händen. Die fasrige Hülle landet auf einem kleinen Feuer, welches so richtig qualmt und raucht. Es hilft, die lästigen Mücken zu vertreiben. Ein paar harte Schläge am Umfang der Nuss und sie bekommt einen Sprung. Sofort sind unsere Kinder zur Stelle und wollen das in der Nuss enthaltene Kokoswasser trinken. Dieses ist nämlich um einiges süsser, als dasjenige der echten Trinknüsse.
Was man mit dem Kokosfleisch alles anfangen kann, haben wir bereits früher beschrieben. Neu entdeckt haben wir, dass man das geraffelte Kokosfleisch rösten kann. Das schmeckt herrlich vor allem zusammen mit frischem Fisch.
Die Kokosnuss hat noch ein weiteres Produkt zu bieten. Eine Nuss, die bereits einen kleinen Keimling zeigt, enthält einen sogenannten Uto. Der Hohlraum in der Nuss ist mit diesem Uto ausgefüllt. Das Kokoswasser ist verschwunden und das Kokosfleisch ist bereits dünner als bei der Essnuss. Der Uto ist sehr süss und schmeckt wie Zuckerwatte. Uns und unseren Kindern schmeckt er nicht sonderlich. Aus diesem Grund steht er nur selten auf unserem Speiseplan.
Auch Teile einer jungen Kokospalme kann man essen: Das Palmherz. Das Mark kann als Salat oder Gemüse verwendet werden. Von dieser Nutzung der Kokospalme sollte aber sparsam Gebrauch gemacht werden Die Palme überlebt diese Aktion nicht, denn sie wird gefällt. Das weissliche Mark hält sich entweder im Kühlschrank oder in einem Kessel voll Wasser über mehrere Wochen. Sein Geschmack erinnert an Chicorée. Eine willkommene Abwechslung auf dem Speisezettel.
 
Brotfrucht (Artocarpus communis):
Der Brotfruchtbaum gehört zur Familie der Maulbeergewächse. Seine circa zwei Kilogramm schweren Früchte bilden vor allem im Pazifik eines der wichtigsten Nahrungsmittel. Sie haben etwa die Grösse einer Melone sind aussen von einer rauhen Schale umgeben und enthalten in ihrem Innern ein weisses, mehliges Fruchtfleisch. Wenn man das Fruchtfleisch bäckt, erhält es einen leicht süsslichen Geschmack und erinnert in seiner Beschaffenheit an Brot. Das Fruchtfleisch kann aber auch getrocknet, gemahlen und anschliessend zu kleinen Kuchen, Brot oder Pudding weiterverarbeitet werden. Die Brotfruchtbäume erreichen bis zu 20 Meter Höhe.
Leider sind nur wenige, einzelne Exemplare dieser Bäume auf der Île Boddam zu finden und die Früchte hängen zu Oberst in den Baumkronen. Für uns unerreichbar.
 
Wachsapfel:
Die kleine, rot glänzende Frucht hängt an einem Strauch ähnlichen Baum. Das Fruchtfleisch ist weiss und im Inneren der Frucht sind einige, mandelgrosse Steine zu finden. Die Frucht schmeckt erfrischend und saftig. Leider sind sämtliche Früchte nach einer Nacht vom einzigen uns bekannten Baum verschwunden. Er ist absolut leer. Keine Frucht liegt am Boden oder hängt in Augenhöhe. Auch die Unerreichbaren in luftiger Höhe sind verschwunden. Wir erfahren nie, wohin sie abgewandert sind.
 
Bilimbi (Averrhoa bilimbi):
Der Bilimbibaum erhebt sich mächtig in die Höhe. Seine Blätter sind strahlenförmig angeordnet. Faszinierend ist die Art und Weise, wie die bis zu neun Zentimeter langen, grünen, gurkenförmigen Früchte am Baum wachsen. Sie hängen direkt am Hauptstamm oder an den dicken Ästen und nicht wie bei uns üblich am Ende der Äste.
Die Bilimbis sind extrem sauer, schmecken aber sehr erfrischend und dienen uns als Zitronenersatz. Sie bereichern den süssen Fruchtsalat aus der Büchse und spenden viele Vitamine.
 
Leider wachsen auf der Île Boddam keine Papayas oder Bananen. Der Grund dafür ist die übermächtige Population an Ratten. Nicht nur am Abend kommen diese Tiere aus ihren Verstecken. Ein Spaziergang durch den Wald ist unheimlich. Überall raschelt und huscht es. Zwei Mal haben wir eines dieser Tiere an Bord. Als blinde Passagiere gelangten sie im Dingi auf die PANGAEA. In der Zwischenzeit haben wir gelernt, wie man diese unliebsamen Gäste fängt: Sie stehen auf Kokosnuss und nochmals Kokosnuss. Auch wenn auf der Küchenablage frisch gebackenes Brot liegt, die Ratte geht als erstes auf Kokosnuss los.
Die Falle ist mit einem Tuchsäcklein in dem geraspeltes Kokosfleisch steckt, bestückt. Keine halbe Stunde nachdem Ruhe auf dem Schiff eingekehrt ist, schnappt die Falle zu. Wir haben Frischfleisch und unser Schiff wieder für uns alleine…
Andere Inseln des Salomon Atolls weisen keine Ratten auf. Dort wachsen Papayas und Bananen. Leider finden wir keine reifen Früchte an den Bäumen. In ein paar Wochen wird es so weit sein. Doch bis dann, sind wir wieder unterwegs.
Die Regeln der Briten verbieten es, fremde Pflanzen auf die Insel zu bringen. Die einzige Möglichkeit, frische Kräuter und Gemüse anzupflanzen, ist somit ein Schiffsgarten. Bei uns wachsen schon bald Basilikum, Oregano, Wasserspinat, Chilischoten und Pfefferminze. Der Duft von frischem Basilikum ist einfach unbeschreiblich gut. Die Gärten der Langzeitlieger in Chagos sind noch viel umfangreicher. Dort findet man zudem Tomaten, Pflücksalat, Gurken und sogar Zwiebeln.
Von den anderen Seglern lernen wir die Methode kennen, wie man Ungezieferfreie Erde herstellt: Man sucht sich die gewünschte Menge Erde und kippt sie in einen grossen Blechtopf. Ein mächtiges Feuer wird angefacht und der Topf mitten hinein gestellt. Am besten ist es, wenn das Feuer rund um den Topf brennt und sogar auf dem Deckel. Das Ganze darf nun 20 Minuten schmoren. Fertig ist die Ungezieferfreie Erde.
Wir kochen nicht nur Erde über dem offenen Feuer, sondern auch unsere Kochwäsche und zu guter Letzt backen wir unser Brot und unsere Pizzas in den grossen Töpfen. Ein besonderes Augenmerk müssen wir beim Backen auf die Oberhitze legen. Zu viele glühende Kohlestücke auf dem Deckel und das Brot erhält eine schwarze Haube… Durch das Backen an Land sparen wir auf der einen Seite Kerosin und auf der anderen Seite heizen wir das Innere des Schiffes nicht unnötig auf. Die Sonne leistet in dieser Beziehung schon enormes.
Das frisch gebackene Brot ist heiss begehrt. Wer von unseren Seglerfreunden an Land ist, greift gerne zu. Auch die Krebse sind gefrässig. Einen Augenblick das Backblech auf dem Tisch liegengelassen und schon krabbelt eines der Tiere auf den Leckerbissen zu.
 
Was hat der Unterwassergarten neben Mördermuscheln und Seegras sonst noch zu bieten? Fische. Für uns ein Thema, welches wir in der Vergangenheit sehr vernachlässigt haben. Am zweiten Tag vor Anker stoppen Claire und Humphrey von der BRUMBEY neben unserem Schiff und bieten uns zwei frisch gefangene Fische an. Sie erklären uns, dass sie regelmässig mit ihrem Schlauchboot an die Aussenseite des Atolls fahren und fischen. Der Jagdinstinkt in mir ist geweckt und ich frage, ob ich das nächste Mal mitfahren dürfe.
Eine Woche später hält Humphrey am Heck von PANGAEA und holt mich ab. Der Himmel ist fast wolkenlos und nur ein lauer Windhauch ist zu spüren. Ideales Wetter, um mit dem Schlauchboot die Lagune zu verlassen. Wichtig ist natürlich auch die richtige Vorbereitung und Kleidung. Gesicht, Beine und vor allem die Kniekehlen sind mit einer dicken Schicht Sonnencreme behandelt. Ich trage ein langarmiges Hemd, Sonnenhut und Sonnenbrille. Mit dabei ist eine Flasche Wasser, Taucherbrille und Schnorchel. Letzteres hat Humphrey mir geraten, für den Fall, dass wir „Grundfischen". Ich bin der absolute Anfänger und gehorche.
Das Schlauchboot ist mit diversen Bottichen und Behältern gefüllt. Ich setze mich auf den Rand des Bootes und bin gespannt, was auf mich zukommen wird. Mit atemberaubender Geschwindigkeit rast das Dingi über die Lagune. Geschickt weicht Humphrey jeder Untiefe aus. Er scheint die Lagune gut zu kennen. Ich halte mich angestrengt fest. Wir nähern uns dem Pass. Eine hohe Dünung erfasst uns und hebt das schnelle Schiff regelmässig in die Höhe. Eine gewisses Unwohlsein macht sich in meinem Magen breit. Als Segler wird man doch nicht seekrank…
Das Dingi stoppt. Humphrey überreicht mir meine Leine. Dick wie eine Telefondraht ist der Silch auf einer Handspule aufgerollt. Am Ende hängt ein gewaltiger Haken mit allerlei Glitzerstreifen darum herum. Das ganze erinnert mich an einen bunten Staubwedel. Der Haken ist über eine kurzes Stück Nirodraht mit dem Silch verbunden. Am anderen Ende der Fischerleine ist ein dickes, etwa ein Meter langes Gummiseil befestigt. Dieses befestigen wir mit einem Stück Seil am Handlauf des Schlauchbootes. Das Gummiseil dienst als Schockabsorber, wenn ein Fisch angebissen hat. Alles ist so stark bemessen, dass wir sicher auf Walfang gehen…
Alles ist bereit. Der starke Aussenborder heult auf und das Schlauchboot beschleunigt. Wir lassen den Haken über Bord und rollen den Silch ab. Die Leine spannt sich und der Köder ist etwa 20 Meter hinter uns zu sehen. Immer wieder springt der Haken aus dem Wasser. Zwei Leinen ziehen wir auf diese Art und Weise hinter uns her. In geringer Entfernung zu den sich brechenden Wellen folgt Humphrey dem Riff. Jetzt ist Warten angesagt. Wir befinden uns nun ausserhalb der geschützten Lagune. In meinen Gedanken versuche ich mir vorzustellen, was geschehen würde, wenn der Motor ausfällt und wir abgetrieben werden... Ich gehe davon aus, das Humphrey auf einen solchen Fall vorbereitet wäre.
Vom Riff her steuert eine Schule Delphine auf uns zu. Blitzschnell sind sie rund ums Dingi. Von Humphrey will ich wissen, ob diese Tiere nicht anbeissen. Er verneint. In all den Jahren habe er noch nie einen Delphin am Haken gehabt.
Das Dingi beschleunigt noch mehr, um von den Delphinen weg zu kommen. In diesem Moment gibt es einen gewaltigen Ruck und das Gummiseil spannt sich an meiner Leine auf der ganzen Länge. Sofort ändert Humphrey den Kurs und fährt vom Riff weg. Der Grund für dieses Manöver sind die allgegenwärtigen Haie, die nur auf den von uns gefangenen Fisch warten. Nach erstaunlich kurzer Zeit ermüdet der an der Leine hängende Fisch und wir ziehen in zum Beiboot. Das riesige Ding beginnt wieder gewaltig zu zappeln. Humphrey greift sich ein Messer und schneidet dem Tuna die Kiemen durch. Das ist die schnellste Methode, das Tier zu töten und ausbluten zu lassen. Sofort hört der Fisch auf zu zappeln. Wir hieven den schweren Brocken ins Beiboot und stecken ihn Kopfüber in einen der Kübel. Er ist zu gross und so muss ich ihn an der Schwanzflosse festhalten, damit er nicht über Bord fällt. Sogar Humphrey staunt ab der Grösse dieses Tuna.
Kurze Zeit später beisst ein Wahoo von der gleichen Grösse wie der Tuna an. Wir sind noch keine halbe Stunde unterwegs und schon haben wir genügend Fisch für alle Schiffe vor Anker. Geht das immer so schnell? Susan staunt, als wir bereits wieder zurück sind. Sie vermutet irgend einen Defekt am Fischerzeug oder Aussenborder. Ihre und die Augen der Kinder werden immer grösser, als sie unseren gewaltigen Fang sehen.
Beim Maincamp tragen wir unseren Fang an Land. Der Tuna ist über 20 Kilogramm schwer und 1.5 Meter lang. Unsere drei Mädels schauen interessiert zu, als Claire auf einem eigens dafür eingerichteten, einfachen Tisch die zwei Fische filetiert. Mit wenigen, geschickten Schnitten entfernt sie das Fleisch von den Gräten. Nach kurzer Zeit sind alle mitgebrachten Behälter voll.
Der vielen Fliegen wegen, dürfen keine Fischreste an Land bleiben. Am Ende der nahen alten Pier werfen wir die Überreste ins Wasser. Augenblicklich tauchen ein halbes Dutzend Haie auf. Anina, Noemi und Sina sitzen auf der Mole und schauen den Jägern interessiert zu. Blitzschnell schnappen sie sich ein Stück und verschwinden wieder im trüben Wasser. Haben unsere Kinder nach diesem Schauspiel keine Alpträume? Wagen sie sich überhaupt noch ins Wasser? Kein Problem. Eine viertel Stunde später planschen die Drei wieder vergnügt am Strand vor dem Maincamp. Diese Haie sind für uns Menschen ungefährlich. Jedes Mal, wenn wir uns einem im Wasser liegenden nähern, ergreift er die Flucht.
Gedämpft, gebraten, geräuchert, fritiert und in Essig eingelegt. Es gibt so viele verschiedene Arten, Fisch zu zubereiten. Susan ist in dieser Beziehung einmalig. Jeden Tag serviert sie uns ein anderes Gericht. Es ist ein Genuss. Eine Woche nach dem Fischfang ist unser Kühlschrank wieder leer. Scheinbar auch derjenige von BRUMBY, denn Humphrey lädt mich wieder zum Fischen ein.
Dieses Mal brauchen wir etwas länger, um die gleiche Menge Fisch zu fangen. Erneut ziehen wir Tuna und Wahoo ins Schlauchboot. Ich staune und bin begeistert. Stolz kehren wir zum Ankerplatz zurück. Als Claire unseren Fang sieht, ist sie überhaupt nicht erfreut. Sie wünsche sich Coral Trout und nicht schon wieder Tuna und Wahoo. Ich bin erstaunt, schmecken diese Fische doch ausgezeichnet. Humphrey verspricht, am nächsten Tag noch einmal auf Fischfang zu gehen. Dieses Mal sei Grundfischen angesagt. Ob ich mit wolle, will er wissen. Natürlich!
Es ist Hochwasser und Humphrey steuert sein Dingi für einmal nicht in Richtung Pass, sondern direkt über das Riff. Er gibt Vollgas und die Korallenstöcke rasen unter dem Rumpf durch. Ich erwarte jeden Moment den Aufprall. Doch dieser bleibt aus und wir erreichen unbeschadet das tiefe Wasser bei der Riffkante des Aussenriffs. Mein Mentor kennt die guten Plätze. Bis wir dort sind, ziehen wir die Schleppleinen hinter uns her. Kein Benzin für den Aussenborder bleibt ungenutzt. Vielleicht beisst ja ein Wahoo an.
Am Angelplatz angekommen streift sich Humphrey die Tauchmaske über, lehnt über den Rand des Schlauchbootes und schaut in die Tiefe. Was gibt es da wohl zu sehen? Neugierig mache ich es ihm nach und halte meinen Kopf unter Wasser. Unter uns liegt ein Plateau mit vereinzelten Korallen und vielen Fischen. Welche von diesen wollen wir denn überhaupt fangen? Ich habe keine Ahnung. Der Platz scheint gut zu sein und wir werfen den kleinen Anker über Bord. Humphrey beginnt seine Angelleine vorzubereiten. Ein einfacher, dicker Silch mit einem grossen Haken am Ende ist die ganze Ausrüstung. Auf den Haken kommt ein Stück Tuna, welches in einem Einmachglas in Salz eingelegt war.
Langsam gleitet der Haken in die Tiefe. Er soll nahe dem Grund zum Schweben kommen. Den Silch befestigen wir am Handlauf des Schlauchbootes. Mein Kopf ist immer halb unter Wasser und meine Beinwaden halte ich der Sonne zum garen hin. Gebannt schaue ich zu meinem Haken hinunter. Viele kleine Fische drängen sich um den Köder und zupfen daran. Plötzlich nähert sich von der Seite ein grosser Schatten. Er umkreist meinen Haken, macht einen Vorstoss und schnappt sich dann blitzschnell den Köder von Humphrey. Ein unendlich scheinender Moment verstreicht. Der rot schimmernde Fisch kaut genüsslich auf dem Köder herum. Jetzt schwimmt er davon, wird aber von der Angelleine zurückgehalten. Erst jetzt zieht Humphrey aus Leibeskräften an der Leine und holt den Fisch nach Oben. Je näher er der Oberfläche kommt, um so grösser scheint er zu werden. Jetzt ziehe auch ich meinen Kopf aus dem Wasser. Ein letzer, kräftiger Ruck und der Fisch landet im Dingi. Er schlägt wild um sich. Zwei, drei gezielte Schläge mit einem Holzstock auf den Kopf und das Zappeln hat ein Ende. Erneut schneidet Humphrey dem Fisch die Kiemen durch, damit er ausbluten kann. Das ist nun ein von Claire gewünschter Coral Trout. Seine rote Haut ist mit vielen, blauen Punkten übersät. Kann man diesen Fisch wirklich essen? Ich war immer der Ansicht, dass farbige Fische nicht geniessbar sind, sondern nur die grauen. Ich bin gespannt.
Das Dingi ist voller Köderresten und Blut. Reinigen können wir es vorerst nicht, denn wir würden damit jede Menge Haie anlocken. Kontrollblick unter Wasser: Noch sind keine der grossen Räuber zu sehen und wir lassen unsere Hacken wieder auf den Grund. Eine spannende Art, den Fischen beim Anbeissen zu zusehen. Humphrey nennt es Chagos-Television…
Wir wechseln einige Male den Platz und immer wieder landet ein Coral Trout, ein „Schleimi" oder Snapper im Beiboot. Alle diese Fische haben ein knallig, farbiges Schuppenkleid. Ich bin weiterhin verwirrt, doch der Meister wird schon wissen, was er da gefangen hat.
Erneut ist Claire diejenige, welche die Fische filetiert. Sie zeigt uns ganz genau, worauf wir achten müssen. Das nächste Mal ist die Arbeit an uns. Jetzt sind wir gespannt, wie uns diese Fische munden werden. Kurzweg: Der Coral Trout ist ein Gedicht. Nach einem einfachen Fischsalat wissen wir, warum Claire das letzte Mal so reagiert hat. Das Fleisch dieses Fisches erinnert an Krevetten. Mit dem grossen Unterschied, das die Stücke viel, viel grösser sind. Das Fleisch ist knackig und saftig zugleich. Die Schüssel ist in kürzester Zeit leer. Nach einem kleinen „Versucherli" griffen nämlich auch unsere Mädels kräftig zu.
Bei so viel gefangenem Fisch kommen alle erdenklichen Rezepte zum tragen. Unter den Schiffen beginnt ein reger Austausch von Zubereitungsarten und immer wieder wechselt ein veredeltes Stück Fisch das Segelschiff. Wir versuchen uns im Räuchern. An Land haben wir nämlich einen eigens dafür gebauten, einfachen Räucherofen gefunden.
Der filetierte Fisch wird in dünne Streifen geschnitten. Wichtig ist, dass die Haut am Fleisch bleibt, damit der Fisch beim Räuchern zusammengehalten wird. Die Fischstücke werden anschliessend gesalzen und über Nacht im Kühlschrank gelagert. Am nächsten Tag wird jedes Stück einzeln auf einen Faden aufgefädelt und für eine Stunde zum Trocknen an die Sonne gehängt. Vor allem die lästigen Fliegen verhindern, dass der Fisch länger getrocknet werden kann. Anschliessend hängt man den Fisch ins Räucherrohr. Die Stücke dürfen sich dabei nicht berühren.
Der Räucherofen ist eingefeuert. Die eigentliche Feuerstelle ist drei Meter vom Räucherrohr entfernt und durch ein Zementrohr mit diesem verbunden. Nur ein ganz kleines Feuer ist gefragt. Als Brennholz verwenden wir die harten Kokosnuss-Innenschalen. Überall im Dickicht sind diese zu finden. Diese Schalen erzeugen einen wohlriechenden Rauch. Sobald das Feuer einmal in Gang ist, darf sich keine offene Flamme mehr bilden, da sonst das Räucherrohr zu heiss wird. Also sitzt die ganze Zeit jemand bei der Feuerstelle und überwacht das Feuer. Sobald Flammen aus der Kokosnusshälfte schlagen, legt man schnell eine neue Schale darauf und erstickt die Flammen. Rauch zieht nun durch die Rohre am aufgehängten Fisch vorbei.
Acht bis zehn Stunden später ist der Fisch fertig geräuchert. Im Kühlschrank aufbewahrt, würde er sich mindestens drei Wochen halten. Betonung auf WÜRDE, denn bereits nach einer Woche ist aller Räucherfisch verschwunden…
Wir lernen von den anderen Seglern täglich dazu. Wer von unseren Lesern weiss zum Beispiel, dass
- man Eier mit Vaseline bestrichen, über sechs Monate ungekühlt lagern kann?
- Essig zusammen mit Natron ein Eierersatz ist?
- es Butter in der Dose gibt?
 
Uns zeigt die Zeit Chagos, dass man trotz der Abgeschiedenheit und fehlenden Einkaufsmöglichkeit wie die Fürsten leben kann. Oder wer hat jeden Tag frischen Fisch an einer Curry-Sauce, verfeinert mit Kokosnussmilch auf dem Tisch? Nur das eisgekühlte Glace vermissen wir manchmal.
 
© Susan & Christoph Manhart, SY PANGAEA