Logbuch SY PANGAEA / Indian Ocean |
Schwimmhäute |
28.10. - 30.12.2004 |
Schwerelos schwebe ich an der Wasseroberfläche. Mein Gesicht ist unter Wasser und durch die Taucherbrille halte ich angestrengt Ausschau nach Fischen und Korallen. Nur schemenhaft erkenne ich den tief unter mir liegenden Grund. Plötzlich taucht ein dunkler, grosser Schatten vor mir auf. Ein Korallenstock oder ein Bommie", wie ihn Chagosinsider nennen. |
Ein Garten der besonderen Art breitet sich vor mir aus. Er ist weder starr noch tot, sondern die verschiedensten Pflanzen" wachsen hier und er wird von den unterschiedlichsten Tieren bewohnt. Der Salat breitet seine Blätter majestätisch aus. In seinem Inneren verstecken sich ängstliche Fische. Auch Champions sind im Garten zu finden. Die bis zu 10 Zentimeter grosse Koralle weist eine einseitig rosa Färbung auf. Feine Furchen durchziehen die Oberfläche und geben der Pilzkoralle, gleich der Unterseite eines Waldpilzes, das typische Aussehen. |
Näher und näher gleite ich an den Unterwassergarten heran. Vieles, was aus der Ferne starr aussah, beginnt sich beim Näher kommen zu bewegen. Auf den Salatblättern werden feine Polypen sichtbar. Wie kleine Türme auf einem Schachbrett ragen sie geordnet und ausgerichtet in die Höhe. Sie wippen sanft in der Strömung. In der nahen Fingerkoralle bewegt sich ein Schatten. Wer hält sich wohl da versteckt? |
Ich halte mich mit einer Hand an einer abgestorbenen Koralle fest. Ein regelmässiges chrzz, chrzz dringt an mein Ohr. Es stammt von den Papageienfischen. Mit ihren starken, schnabelartigen Mündern schaben sie an den Korallen. Die Überresten dieses Mals ist der feine Sand, der unter anderem an Land gespült wird und dort den feinen Sandstrand bildet. Ein ganzer Schwarm regenbogenfarbener, männlicher Fische gleitet an mir vorbei. Die Weibchen warten dagegen mit einem einfachen, rötlich schimmernden Schuppenkleid auf. |
Plötzlich bleibt mein Blick in die Nähe hängen. Ein abgestorbener Korallenstock bewegt sich. Zwei Flossen werden sichtbar, ein Panzer, und dann schaut mich eine Schildkröte aus ihren glasigen Augen an. Sie ist kein Meter von mir entfernt und ich studiere ihre dunklen Augen. Diese werden durch durchsichtige Augenlieder geschützt. Auf ihrem Kopf trägt sie ein wunderschönes Farbmuster. Sie verharrt einen Augenblick und schiesst dann blitzschnell mit wenigen Flossenbewegungen ins tiefe Wasser. Ich folge ihr und fühle mich plump und langsam. Der Bommie verschwindet hinter mir im dunklen Wasser. |
Der Grund ist einmal mehr nicht mehr sichtbar. Es ist unangenehm düster und trüb. Ich beschleunige meine Flossenbewegungen, um an die Nordseite der Lagune zu gelangen. Das Wasser wird auf einmal klar und der Sandboden wird sichtbar. Hier ist der Tummelplatz von Nurse-Sharks und Mantarays. Auch heute hab ich Glück und ein 1½ Meter langer Ray mit Pilotfisch gleitet nicht weit von mir durchs tiefe Wasser. Er erinnert mich an einen Vogel, der sein Element Luft mit dem Wasser vertauscht hat. |
Ich bleibe über der seichten Sandbank, welche immer wieder von Korallenstöcken unterbrochen wird. Ich schwimme entlang der Riff- und Sandkante bis zur nächsten Insel. Ohne Pausen würde man für die Strecke etwa eine halbe Stunde benötigen. Doch da sind so viele Sachen zu sehen und zu bestaunen. |
Die Farbenvielfalt der Gartenbewohner ist gewaltig und ihr Schöpfer benutzt für all die Kreaturen das ganze Farbspektrum. Er ordnet leuchtendes orange und gelb in Streifen oder Kreisen an, lässt schwarz und blau als Hintergründe gelten. Er nimmt rot und streut ein paar blaue Tupfer drauf. |
Einem Scherenschnitt gleich wartet der Feuerfisch mit seinen grazilen, federartigen Flossen auf. Er ist extrem schüchtern und lässt sich nur von hinten betrachten. Dass ich in diesem Garten sogar ein Zebra antreffe überrascht mich ungemein. Neugierig schaut mich die kleine Moräne aus ihrem engen Versteck an. Was steht bei ihr wohl auf dem Speiseplan? Ihre Zähne verraten, dass sie sich nicht mit totem" Salatgewächs zufrieden gibt. Ich bin froh, dass ich für sie zu gross bin. |
Vom kleinen, ein Zentimeter langen, azurblau leuchtenden Winzling bis zum gewaltigen, grauen Einhorn mit seinen grossen Augen bietet der Korallengarten allen einen idealen Lebensraum mit den unterschiedlichsten Verstecken und Nischen. Alles und Jeder hat seinen Platz in diesem Garten. |
Ein Schatten gleitet auf mich zu. Zwei stechende Augen starren mich aus einem grauen Gesicht an. Sechs Meter, fünf, vier Jetzt nehmen mich die Elektrosensoren des Tieres wahr und der Hai holt zu einer Rechtskurve aus. Obwohl das Fischbuch ihre Harmlosigkeit anpreist, hat sich mein Pulsschlag rapide erhöht. Noch zweimal werde ich umkreist. Erst als ich mich auf seichtes Terrain begebe, verliert er das Interesse an mir. |
Ohne Hast schnorcheln, abtauchen und in die neue Umwelt eintauchen, ist einfach genial und grandios. Aus Sekunden werden rasch Minuten und da das Wasser angenehm warm ist (28°C), vergehen auch schnell Stunden. Meistes kehre ich erst zur Mittagszeit zur PANGAEA zurück. Mit leerem Magen und Kohldampf, dafür mit einem Kopf und Fotoapparat angefüllt mit hunderten von Bildern. |
Fast jeden Tag befindet sich entweder Christoph oder ich im Wasser und es wird uns nie langweilig. Auch beim zehnten mal über dem gleichen Korallenstock entdecke ich etwas neues, noch gesehenes. Ich bin gespannt, wann ich zwischen meinen Fingern und Zehen die ersten Ansätze für Schwimmhäute entdecke. Lange kann es sicher nicht mehr dauern. |
Diese einmalige Unterwasserwelt mit Worten zu beschreiben ist schwierig. Aus diesem Grund lassen wir an dieser Stelle eine kleine Auswahl von Bildern sprechen. Also: Schnorchelausrüstung montieren und abtauchen. |
© Susan & Christoph Manhart, SY PANGAEA |