Logbuch SY PANGAEA / Hawai'i
 
Behörden und Alltag

04.11 - 28.11.2002

 
Die paar Stunden Schlaf nach der Überfahrt haben uns gut getan. Ganz besonders mir, da ich ja die ganze Überfahrt lang kein Auge zugetan habe. Eigentlich hätte ich noch viel länger schlafen können, doch der Wecker reisst mich aus meinen Träumen. Es ist zwei Uhr am Nachmittag und ein wichtiges Telefon steht als nächstes auf dem Programm: Der Zoll. Die Dame vom Honolulu Zoll hat mich sehr energisch darauf hingewiesen, dass ich mich unmittelbar nach unserer Ankunft beim Zoll in Kona melden müsse. Da wir keine Cruising Permit haben, müssen wir hier auf Big Island alle Formulare erneut ausfüllen… Mit der Cruising Permit hätten wir den Zoll nur anzurufen brauchen und die Information abgeben, dass wir nun auf Big Island sind. Um diese Permit zu erhalten, müssten wir die USA verlassen, einen nicht USA Hafen anlaufen und frühestens nach 15 Tagen wieder in die Staaten zurückkehren. Der nächste nicht US Hafen liegt aber 7 Tage Segelreise von hier entfernt. Diesen Segelschlag wollen wir uns dann doch lieber für unsere Weiterreise aufsparen und füllen halt die Formulare aus. Uns kostet das ganze kein Geld nur Zeit und die haben wir ja zur genüge.
So führe ich etliche Telefonate mit dem Zoll und dem Hafenmeister vom Honakahau-Small-Boat-Harbor, dem für die Kailua-Bay verantwortlichen Hafenmeister. Die Leute vom Zoll kommen nicht zu uns aufs Schiff und so müssen wir mit unserer PANGAEA an die Pier, wo auch alle Touristenboote festmachen. Nicht nur der Zoll, sondern auch die Immigration und das Departement für Landwirtschaft kommt zur Pier, um uns zu sehen. Dem Zoll müssen wir das Schiff zeigen und unsere Schiffspapiere abgeben. Dem Beamten wird es beim Besichtigen unseres Boot bereits schlecht und er ist froh, als er wieder auf der Pier steht. Nun wissen wir auch, warum der Zoll nicht aufs Schiff kommt, wenn es an einer Boje oder vor Anker liegt.
Der Beamte von der Immigration will unsere Pässe sehen. Natürlich will er wissen, wo unsere Formulare für die Ausreise sind. Dieses Formular wird einem bei der Einreise in die USA in den Pass geheftet. Ich erkläre dem Beamten, dass sich diese Formulare bei der INSUS befinden, wo wir um Verlängerung unseres US-Aufenthaltes ersucht haben. Am 17. November hätten wir nämlich die USA wieder verlassen müssen. Leider haben wir noch keine Bestätigung erhalten, ob unsere Unterlagen bei der INSUS eingetroffen sind oder nicht. Der Immigration-Beamte bietet uns an, der Sache nachzugehen und uns dann anzurufen.
Die Beamten des Departements für Landwirtschaft sind schon nach kurzer Zeit wieder weg, nachdem sie vernommen haben, dass sich unser Schiff schon seit über zwei Jahren in den USA befindet. Sie hätten das Schiff nach nicht erlaubten Lebensmitteln durchsucht.
 
Einige Tage später ruft uns der Immigration-Beamte an und bittet mich mit allen Unterlagen bei ihm im Büro vorbeizukommen. Er könne im Computer keine Angaben finden, dass unsere Unterlagen bei der INSUS angekommen seien. Also packe ich alle Unterlagen und schwinge mich aufs Fahrrad. Es sind gute 7 Meilen bis zum Flughafen. Keine grosse Strecke eigentlich, wenn da nur nicht der Verkehr und die brennende Sonne wäre.
Ich verbringe gute zwei Stunden bei der Immigration. Doch fündig werden die Beamten nicht. Sie geben mir den Tipp, bei der INSUS nachzufragen, ob unsere Unterlagen angekommen seien oder nicht. Es passiere in den Staaten sehr häufig, dass Postsendungen verschwinden und nicht mehr gefunden werden.
Von Danny und Becky (Kontaktadresse auf Big Island) erfahren wir dann aber, dass eine Bestätigung der INSUS eingetroffen sei, dass unsere Unterlagen eingetroffen seien. Das beruhigt uns natürlich ganz enorm.
Auf der Strecke zum Flughafen liegt auch der schon erwähnte Yachthafen. Hier melde ich mich beim Hafenmeister und nehme die zwei Formulare mit, die ich noch ausfüllen muss. Die Dame fordert mich zwar auf, diese Formulare noch am gleichen Tag zurück zu bringen, doch sie versteht mein Argument dann doch, dass ich auf eine weitere Fahrradtour bei der Wärme verzichten möchte.
Jetzt wollen wir aber endlich auch die Familie Aegler kennen lernen. Wir haben schon diverse Emails ausgetauscht und sogar telefoniert, doch gesehen haben wir sie noch nie. Wir verabreden uns für den Nachmittag am Strand. Mit feinen, selbst gebrannten Mandeln begrüssen Anina und Noemi die Kinder der Familie Aegler. Wir verstehen uns auf Anhieb und sind gespannt darauf, was wir während unserer Zeit auf Big Island alles mit ihnen erleben werden.
 
Am nächsten Tag fahren wir dann als ganze Familie im Yacht-Hafen vorbei, um unsere Formulare abzugeben. Wir hatten die Information, dass wenn wir an einer Boje festgemacht hätten, keine weiteren Gebühren mehr bezahlen müssten. Doch leider waren diese Angaben falsch und wir müssen erneut bezahlen. Für uns absolut unverständlich, da wir für das bezahlte Geld keine Gegenleistung erhalten. Das Verrückteste ist, dass wir pro Person und Tag $2 bezahlen müssen, da wir auf dem Schiff leben… Sollen wir etwa unser Zelt am Strand aufschlagen? Gnädiger weise müssen die Kinder nichts bezahlen. Frustriert verlassen wir das Hafenbüro. Wo sind wir da nur hingeraten? Wir verstehen nun immer besser, warum auf Hawaii so gut wie keine Fahrtensegler zu finden sind. Hawaii ist für Besucher-Segelschiffe nicht eingerichtet und scheinbar wollen sie auch gar keine auf ihren Inseln haben. Schade!
 
Unser Schiff schaukelt friedlich auf dem Wasser… Von friedlich schaukeln kann da schon lange keine Rede mehr sein. Das Schiff schlägt von einer Seite auf die andere, so dass es jedesmal einen Knall gibt, wenn die Schaukelbewegung auf einer Seite zu Ende ist.
Der swell (Dünung) ist im Moment besonders stark. Und da es in der Kailua-Bay fast nie Wind hat, dümpelt unsere PANGAEA rund um die Boje. Immer wenn die Dünung genau von der Seite auf's Schiff trifft, beginnt es sich richtig aufzuschaukeln. Die Rollbewegungen werden immer stärker und stärker.
Nach zwei schlaflosen Nächten haben wir genug. Es muss etwas geschehen. Wir holen einen Reserve-Anker aus seinem Stauraum und bringen ihn im Heck des Schiffes aus, um so den Bug gegen die Wellen zu richten. Und siehe da, es kehrt Ruhe auf dem Schiff ein.
Beim Mittagessen beginnt das Geschaukel aber wieder von vorne. Was ist jetzt schon wieder los. Ich ziehe am Tau, das zum Heckanker führt. „Das geht aber leicht", denke ich. Schlussendlich habe ich das ganze Tau an Bord und der Anker liegt auf 12m Tiefe, jetzt aber ohne Verbindung zur Wasseroberfläche… Die scharfen Korallen haben das Tau durchgescheuert.
Ein Tauchgang steht auf dem Programm. Die Tauchflasche und Tauchausrüstung haben wir natürlich nicht mehr. Die haben wir in Oahu Achim und Erika zurückgegeben. Also muss ich mit Taucherbrille, Schnorchel und Flossen zum Anker abtauchen.
Das finden des Ankers ist das kleinste Problem, da ich die Richtung noch gut im Gedächtnis habe. Doch wie komme ich auf 12m Tiefe? Ein langes Stück Tau ist am Anker noch zu sehen. Welch ein Glück. Abtauchen, Druckausgleich, Tau fassen, auftauchen, gesch… Das Tau rutscht mir aus der Hand und sinkt wieder in die Tiefe. Noch einmal muss ich abtauchen. Dieses mal gelingt mir aber der Druckausgleich nicht optimal und nach dem Auftauchen habe ich Ohrensausen. Der Anker ist aber gerettet und zum Glück klingt das Ohrensausen schon nach kurzer Zeit wieder ab.
Den Anker bringen wir schon nach kurzer Zeit wieder aus. Nun befestigen wir aber direkt am Anker ein Stück Kette, damit nicht das Tau auf den Korallen liegt und durchgescheuert wird.
 
Heute haben wir seit langem wieder Besuch auf dem Schiff. Die Familie Aegler besucht uns als ganze Familie in unserem Heim (zwei Erwachsene und drei Kinder). So viele Personen waren wir noch nie auf dem Schiff (fünf Kinder, vier Erwachsene). Anina freut sich natürlich, Michel und Justin ihr Reich zeigen zu können. Becky macht es sich mit Baby David auf dem Vordeck gemütlich.
Danny und ich machen uns für einen Tauchgang bereit. Danny und Becky haben eine eigene Tauchausrüstung und diese haben sie heute mit auf's Schiff genommen. Ich möchte endlich den Haken im Korallenblock aus der Nähe sehen, der unser Schiff hält. Danny gibt mir eine Kurzeinführung worauf ich beim Tauchen achten muss. Kaum zu glauben, worauf man da alles achten muss und ich merke, wie nichtswissend ich im Ala Wai Harbor ins Wasser getaucht bin. Natürlich gibt es einen Unterschied: Im Ala Wai Harbor tauchte ich nur bis auf eine Tiefe von etwa 3m. Hier werden wir aber bis auf 14m abtauchen. Ich bin gespannt auf diesen ersten richtigen Tauchgang.
Bis die ganze Ausrüstung bereit ist und wir alles angezogen haben, vergeht eine ganze Weile. Die Sonne steht auch nicht mehr so hoch am Himmel und wir müssen uns beeilen, dass wir unter Wasser überhaupt noch etwa sehen. Wir schwimmen bis zum Seil der Boje. Die eigentliche Boje ist nicht mehr an ihrem Ort. Die hat sich vor ein paar Tagen davon gemacht. An einem Abend war sie noch an ihrem Platz und am nächsten Morgen war sie verschwunden…
Langsam lassen wir uns dann in die Tiefe sinken. Die Schäkel und auch das Bojentau sehen gut und stabil aus. Dann sind wir auf dem Grund angekommen und schwimmen auf den Haken im Korallenstock zu. Es ist ein stabiler Haken, der direkt in den Korallenblock hineingeschraubt ist. Ich nehme ihn in die Hand und ziehe daran, und halte in im nächsten Moment in den Händen… Das Ding hat tatsächlich nur noch ganz lose in seinem Loch gesteckt. Das er überhaupt noch gehalten hat ist ein Wunder! Nach diesem Schreck tauchen wir wieder an die Oberfläche.
Als wir ein paar Minuten später wieder zum Haken abtauchen, sind wir mit zwei grossen Schrauben und einem Hammer ausgerüstet. Auf diese Weise verkeilen wir den losen Haken in seinem Loch, damit er wenigstens ein wenig hält. Ich weiss aber, dass ich von jetzt an auch noch den Anker ausbringen werde.
 
Es ist schon bald Adventszeit. Ist das wirklich wahr? Irgendwie fehlen einfach die lange Dunkelheit, der Nebel, die Kälte und der Schnee. Nun, auch wir merken hier auf Hawaii, dass es langsam Winter wird. So verkriechen wir uns in der Nacht gerne unter der Decke. Den Tag durch genügen aber immer noch die kurzen Hosen und ein T-Shirt…
Was wir hier auch noch nicht entdeckt haben sind Weihnachtsbeleuchtungen und bunt geschmückte Schaufenster. Schaufenster gibt es sowieso fast keine. Die meisten Amerikaner tätigen ihre Einkäufe in riesigen Einkaufszentren. Und hier findet sich dann alles, was ein echter Amerikaner für die Adventszeit und Weihnachten benötigt. Dem Weihnachtsmann fehlt hier aber ganz gewiss der Schnee und die seiner Bekleidung angemessene Temperatur.
 
Eine unserer wichtigsten Beschäftigungen ist das Wäsche waschen. Wir staunen immer wieder, wie viel Wäsche sich schon nach kurzer Zeit in unserem Wäschesack ansammelt. Dabei tragen unsere Kinder und auch wir Erwachsenen doch gar nicht viele Kleider.
Ist der Wäschesack mal wieder voll, heisst es eine Wäscherei zu suchen. Hier auf Hawaii ist es üblich, seine Wäsche nicht zu Hause, sondern in einer Wäscherei zu waschen. Das darf man aber nicht mit einer Reinigung nach Schweizer Art verwechseln. Hier wäscht man seine Wäsche selber. Eine Waschmaschine reiht sich an die andere. Getrocknet wird die Wäsche nicht etwa an einer Wäscheleine, sondern in einem Tumbler. Auch von diesen Geräten gibt es jede Menge in der Wäscherei zu finden. So sitzen wir einmal mehr an einem solchen Ort und warten darauf, bis unsere Kleider wieder sauber sind. Nun, ob sie wirklich sauber werden bezweifle ich sehr, doch sie riecht besser als vorher... Die Waschmaschinen sind hier überhaupt nicht mit den Schweizer Modellen zu vergleichen. Die Wäsche wird von Oben eingefüllt. In der Mitte der Trommel hat es ein Dorn, der nach oben kommt. An diesem Dorn sind eine Art Schaufelblätter angebracht und diese drehen sich bei der Wäscheaktion. Die Kleider werden also sehr traktiert und werden nicht wirklich sauber.
Auch Anina und Noemi packt in einem solchen Moment der Waschvirus. Aus diesem Grund haben sie alle Babykleider hervorgesucht und ihre eigene Handwäscherei eröffnet. Schön aufgereiht trocknen sie an der Wäscheleine an Deck.
 
Auf diese Weise vergehen unsere Tage auf Big Island wie im Flug. Viel haben wir von dieser Insel noch nicht gesehen. Denn im Moment warten wir auf…
 
© Susan & Christoph Manhart, SY PANGAEA